Machtkampf zwischen EuGH und BGH zum Widerruf von Kreditverträgen geht weiter

  • 2 Minuten Lesezeit

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 09. September 2021 – C-33/20 –, C-155/20 und C-187/20 –

Der Streit zwischen dem insoweit eher verbraucherfreundlichen Europäischen Gerichtshof und der eher bankenfreundlichen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Thema Widerruf von Verbraucherkreditverträgen ist in eine neue Runde gegangen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich auf einen Vorlagebeschluss des Landgerichts Saarbrücken bereits in einer bemerkenswerten Entscheidung vom 26.03.2020 – C-66/19 – deutlich gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs positioniert und bestimmte Formulierungen in Widerrufsbelehrungen, die überaus viele deutsche Kreditinstitute zur Information über den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist verwendet haben (sogenannte „Kaskadenverweisung“) als unzureichend angesehen. Bereits dies hätte auf Basis der Entscheidung des EuGHs vom 26.03.2020 – C-66/19 – eigentlich die Folge, dass sehr viele Verbraucherkreditverträge noch heute widerrufbar sind.

Nur wenige Tage nach Verkündung der Entscheidung des EuGHs vom 26.03.2020 – C-66/19 – hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss aber deutlich gemacht (BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19 –), dass er an seiner insoweit bankenfreundlichen Rechtsauffassung trotz der EuGH-Entscheidung vom 26.03.2020 auch bei Vorliegen eines solchen Belehrungsfehler festhalten will. Eine richtlinienkonforme Auslegung des maßgeblichen innerstaatlichen (deutschen) Rechts, das die europäische Richtlinie umsetzt, sei wegen dessen eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Der Bundesgerichtshof hat auch nach der Entscheidung des EuGHs vom 26.03.2020 die Widerrufsmöglichkeit daher weiterhin jedenfalls für diejenigen Fälle eingeschränkt, in denen das Kreditinstitut eine vom Gesetzgeber vorgegebene Musterbelehrung unverändert übernommen hat. Für Immobiliarkreditverträge sei die europäische Richtlinie ohnehin insoweit nicht anwendbar.

In der Entscheidung des EuGH vom 09. September 2021 (C-33/20 –, C-155/20 und C-187/20 –) hat sich der Europäische Gerichtshof – ausgelöst durch einen Vorlagebeschluss des LG Ravensburg – nun mit weiteren Pflichtangaben und Informationen befasst, die in Kreditverträgen zwingend enthalten sein müssen, und sich erneut ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs positioniert.

Konkret ging es um die Pflichtangaben des Kreditinstituts bei Vertragsschluss zur Berechnung der Verzugszinsen und zur Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung.

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit diesen Fragen bereits mehrfach befasst und insoweit eine für die Kreditinstitute durchaus großzügige Linie vertreten.

Die Auffassung des Bundesgerichtshofs hierzu hat der Europäische Gerichtshof in der aktuellen Entscheidung vom 09. September 2021 (C-33/20 –, C-155/20 und C-187/20) als unzutreffend angesehen und hohe Anforderungen an die notwendigen Pflichtangaben bei Vertragsschluss zur Berechnung des Verzugszinses und Vorfälligkeitsentschädigung gestellt. Sind diese nicht erfüllt – wie es in einer überaus hohen Prozentzahl der von deutschen Kreditinstituten verwendeten Belehrungen der Fall sein dürfte –, soll jedenfalls nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs der Widerruf noch heute möglich sein.

Wie der Bundesgerichtshof mit dieser aktuellen Rechtsprechung des EuGHs vom 09.09.2021 umgeht, bleibt abzuwarten.

Auch bezgl. der Rechtsfolgenseite stellen sich wegen des offenen Meinungsstreites des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließend geklärte Fragen.

Ob ein Widerruf rechtlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, bedarf eingehender juristischer Prüfung.

Gerne helfe ich Ihnen dabei.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marc Pflüger

Beiträge zum Thema