Mietvertrag oder Leihvertrag, und warum diese Unterscheidung wichtig ist.

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Wurde eine bewegliche oder eine unbewegliche Sache zur Nutzung überlassen, ohne eine schriftliche Vereinbarung, wer welche Pflichten hat, muss spätestens bei Streit zwischen den Parteien entschieden werden, ob ein Mietvertrag oder ein Leihvertrag vorliegt.

Diese wesentliche Unterscheidung bestimmt darüber, wer welche Kündigungsmöglichkeiten hat, wie lang eine Kündigungsfrist ist, ob nach Beendigung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, wie hoch diese sein darf etc.


Entscheidend ist immer der Parteiwille


Wurde vor Überlassung von Wohnraum kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen, dann muss spätestens bei Streit das angerufene Gericht entscheiden, welches Vertragsverhältnis vorliegt. In Betracht kommen ein Mietvertrag, ein Leihvertrag, ein schuldrechtliche sind Nutzungsverhältnisse oder nur ein bloßes Gefälligkeitsgeschäft. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein.

Im nachfolgenden Beitrag stelle ich in die wesentlichen Merkmale von Mietvertrag und Leihvertrag vor.


Für die Abgrenzung von Mietvertrag und Leihvertrag sind insbesondere drei Merkmale zu berücksichtigen:


  1. Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung,
  2. das Interesse der Parteien und  
  3. das Verhalten der Vertragsparteien nach Vertragsabschluss bis zur Beendigung.

Es kommt nicht auf die subjektive Einschätzung der Parteien bzw. deren Anwälte an, sondern nur auf objektive Merkmale.


Die wesentlichen Gemeinsamkeiten


Weder für den Mietvertrag noch für den Leihvertrag ist Schriftform Wirksamkeitsvoraussetzung. Beide Verträgen können daher auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten abgeschlossen werden. Sowohl der Mieter als auch der Entleiher ist ohne Erlaubnis des Vermieters/ Verleiher nicht berechtigt, den Gebrauch der Sache einem Dritten zu überlassen. Sowohl der Mietvertrag als auch der Leihvertrag kann wegen Eigenbedarfs gekündigt werden.

In beiden Fällen hat der Mieter bzw. der Entleiher die Pflicht, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses die Sache zurückzugeben. In beiden Fällen können bewegliche und unbewegliche Gegenstände, wie Immobilien, Inhalt eines Vertrages sein. Beide Verträgen können befristet oder unbefristet abgeschlossen werden.

Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat sowohl der Mieter, als auch der Entleiher die Sache zurück zu gewähren. Ansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Sache verjähren sowohl im Mietvertrag als auch im Leihvertrag innerhalb von sechs Monaten.


Die wesentlichen Unterschiede


Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Verträgen ist die Entgeltlichkeit. Wurde für die Überlassung einer Sache ein Entgelt vereinbart, dann ist es Miete. Die unentgeltliche Überlassung ist grundsätzlich ein Leihvertrag. Bei der Gegenleistung spielt die Höhe keine Rolle und der Mieter kann die Gegenleistung sowohl in Geld, als auch in einer Dienst- und in einer Werkleistung erbringen.


Der Entleiher dagegen kann die Sache kostenfrei benutzen, aber dafür genießt er weder Bestandsschutz noch Kündigungsschutz.


Beim Mietvertrag übernimmt der Vermieter eine Verpflichtung gegenüber dem Mieter. Er haftet für den Gebrauch der Mietsache und ist für die Instandhaltung verantwortlich. Der Verleiher ist nicht zu einer aktiven Tätigkeit verpflichtet, sondern nur zur Gestattung des Gebrauches. Ihn trifft lediglich die Pflicht zur Gebrauchsüberlassung.


Sie entscheiden Gerichte in streitigen Fragen:


OLG Brandenburg, Urteil vom 29. März 2022, 3 U 79/21; in diesem Fall haben Mutter und Tochter die Aufstockung des gemeinsamen Hauses beschlossen. Die Tochter beteiligte sich sowohl an der Rückzahlung des Darlehens für die Umbaumaßnahmen, als auch an den laufenden Kosten der Instandsetzung sowie Betriebskosten des gesamten Gebäudes zur Hälfte.

Nachdem das Darlehen getilgt war, leistete die Tochter keine weiteren Zahlungen. Die Mutter forderte weiterhin die Zahlung einer monatlichen Summe als Nutzungsentschädigung, und weil sich die Tochter weigerte, erhob sie schließlich Räumungsklage.


Das OLG kam zum Ergebnis, dass zwischen den Parteien ein Mietverhältnis vorliegt und deshalb ein Räumungsanspruch nicht besteht. Leider versäumte es, die Mutter in diesem Fall eine Kündigung auszusprechen, was erschwerend hinzukam. Aber die vorliegende Gebrauchsüberlassung hatte den Rechtscharakter eines Mietvertrages. Hierbei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung der Parteien an, sondern auf die objektive rechtliche Bewertung der Vereinbarung. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Mietvertrag und Leihvertrag ist, ob der Gebrauchsüberlassung eine Gegenleistung gegenübersteht. Diese muss nicht zwingend monatlich erbracht werden, sondern kann auch in einer einmal Leistung bestehen. Die Übernahme der Darlehensraten sowie die anschließende Beteiligung an der Hälfte der Instandsetzungs- sowie Betriebskosten ist als Mietvertrag zu werten. Entscheidend war zudem, dass die Tochter nicht nur die Kosten für die selbst bewohnten Wohnung übernommen hat, sondern die Kosten der gesamten Immobilie.


Nach Auffassung, des BGH, 18.12.2015, V ZR  191/14 liegt ein Mietvertrag bereits dann vor, wenn der Gebrauch an der Mietsache gegen Zahlung von Nebenkosten gewährt wird.  Eine solche Vereinbarung muss jedoch eindeutig nachgewiesen werden, und sie muss auch vor Abschluss des Mietvertrages, bzw. vor Einzug des Mieters vereinbart sein. Alles andere genügt meiner Ansicht nach, nicht für die Annahme eines Mietvertrages. Haben jedoch die Vertragsparteien eindeutig die Zahlung von Nebenkosten als Gegenleistung für die Überlassung der Mietsache vereinbart, dann ist das wirksam. Die Höhe der vereinbarten Miete ist nicht entscheidend, ob ein Mietvertrag vorliegt oder nicht. Es kommt daher auf den Parteiwillen an. 


Zusammenfassung / meine Ansicht


Meiner Erfahrung nach kommt es oft bei Überlassung von Immobilien, insbesondere im Eltern-Kind-Verhältnis zu größeren Schwierigkeiten. Wenn kein schriftlicher Vertrag vorliegt, muss letztlich ein Gericht entscheiden, welches Vertragsverhältnis tatsächlich gewollt war. Ein gelegentliches Rasenmähen dürfte als Gegenleistung nicht ausreichen, aber sobald die Gegenleistung ein erhebliches Gewicht annimmt, der natürlich bewiesen werden muss, dann ist grundsätzlich von einem Mietverhältnis zum Schutz des Mieters angenommen. 


Der Abschluss eines Mietvertrages setzt voraus, dass sich einerseits der Vermieter verpflichtet, Wohnräume dauerhaft, unter Einschränkung seiner Kündigungsmöglichkeit, dem Mieter gegen Zahlung eines Entgelts zu überlassen. Der Mieter verpflichtet sich im Gegenzug Miete zu entrichten.  Die Höhe der vereinbarten Miete ist nicht Entscheidung erheblich. Es kann eine Miete vereinbart werden, die den ortsüblichen Mietpreis unterschreitet.  Die Übernahme der verbrauchsabhängigen und verbrauchsunabhängige Betriebskosten reichen grundsätzlich nicht dafür aus, einen Mietvertrag zu begründen. (Strittig) Auch die Übernahme etwaiger Reparaturkosten dürften nicht genügen, um ein Mietverhältnis zu begründen. Haben aber die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass sie ein Mietverhältnis vereinbaren wollen und als Gegenleistung z.B. die laufenden Reparaturen und Instandsetzungen gelten soll, dann liegt ein Mietverhältnis vor. Dann ist kein Raum für eine Auslegungsmöglichkeit des Gerichts. Der Parteiwille geht vor!



Foto(s): Angelika Sworski

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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