Müssen Arbeitnehmer für den Chef immer erreichbar sein?

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Immer erreichbar zu sein gehört heutzutage fast schon zum Standard im Berufsleben. Doch muss das wirklich sein? Sind Arbeitnehmer dazu verpflichtet, auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit erreichbar zu sein? Diese Frage beschäftigt nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Gesetzgeber, Gewerkschaften und Arbeitgeber gleichermaßen.

In Australien wurde nun ein neues Gesetz verabschiedet, das besagt, dass Arbeitnehmer im Feierabend nicht mehr für ihre Vorgesetzten erreichbar sein müssen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer nicht rund um die Uhr arbeiten müssen, wenn sie nicht auch rund um die Uhr bezahlt werden. Eine klare Regelung, die die Work-Life-Balance der Arbeitnehmer stärkt und dafür sorgt, dass die Freizeit auch wirklich zur Erholung genutzt werden kann.

In Deutschland hingegen ist die rechtliche Lage dazu deutlich komplexer. Hier kommt es darauf an, was im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegt ist. Ist dort nichts zur Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit geregelt, besteht grundsätzlich keine Pflicht für Arbeitnehmer, auf Anrufe oder Mails des Arbeitgebers zu reagieren. Das Arbeitszeitgesetz schreibt zwar eine Höchstarbeitszeit und Ruhepausen vor, geht jedoch nicht konkret auf das Thema Erreichbarkeit nach Feierabend ein.

Dennoch haben auch deutsche Arbeitsgerichte bereits mit Fällen zu tun gehabt, in denen es um die Erreichbarkeit nach Feierabend ging. Im Fokus stand hierbei immer die Frage, ob es sich um eine notwendige und zumutbare Kontaktaufnahme handelte oder ob der Arbeitnehmer tatsächlich in seiner Freizeit zur unmittelbaren Arbeitsleistung verpflichtet war. Die Urteile dazu sind unterschiedlich ausgefallen, zeigen jedoch, dass das Thema Erreichbarkeit nach Feierabend durchaus Konfliktpotenzial birgt.

Die Gewerkschaften plädieren dafür, dass Arbeitgeber nicht uneingeschränkt das Recht haben sollten, ihre Mitarbeiter auch nach Feierabend zu kontaktieren. Insbesondere dann, wenn es darum geht, kurzfristige Aufträge zu erledigen oder Arbeitsmaterialien zu bearbeiten. Es sei wichtig, Ruhezeiten einzuhalten und auch die Freizeit der Arbeitnehmer zu respektieren.

Eine gesetzliche Regelung zur Erreichbarkeit nach Feierabend könnte Klarheit schaffen. Doch selbst wenn ein solches Gesetz verabschiedet werden würde, blieben dennoch viele Fragen offen. Denn die genauen Modalitäten könnten nicht detailliert regelt werden. Hier sind auch die Unternehmen gefragt, Lösungen zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer als auch den betrieblichen Erfordernissen gerecht werden.

Eine Möglichkeit, das Thema Erreichbarkeit nach Feierabend zu regeln, sind Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Hier könnten klare Regelungen getroffen werden, die sicherstellen, dass die Freizeit der Arbeitnehmer respektiert wird und dennoch die betrieblichen Belange gewahrt bleiben. Technische Lösungen wie das Abschalten des mobilen Geräts nach Feierabend könnten ebenfalls dazu beitragen, die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit einzuschränken.

Nicht nur rechtliche Aspekte spielen bei der Erreichbarkeit nach Feierabend eine Rolle, sondern auch gesundheitliche. Arbeitsmediziner warnen davor, ständig erreichbar sein zu müssen, da dies zu Stress und Burnout führen kann. Eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist wichtig, um sich zu erholen und am nächsten Tag wieder fit zur Arbeit zu gehen.

Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Erreichbarkeit nach Feierabend vielschichtig ist und sowohl rechtliche, arbeitsorganisatorische als auch gesundheitliche Aspekte umfasst. Eine klare Regelung, die die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und die betrieblichen Belange in Einklang bringt, ist daher wünschenswert. Unternehmen sind gefordert, Lösungen zu finden, die eine Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter ermöglichen und gleichzeitig die Produktivität und Effizienz des Betriebs gewährleisten.

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

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Foto(s): kanzlei JURA.CC

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