Nacherbenbestimmung durch den Vorerben

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Üblicherweise wird das Mittel der Vorerbschaft dazu genutzt, dass der Erblasser bestimmt, welcher Erbe ihm zunächst folgt und auf welchen Erben sein Vermögen nach dem Tod des Vorerben übergeht. Allerdings gibt es Möglichkeiten, die Wahl des Nacherben auch nach dem Tod des Erblassers noch abzuändern, insbesondere dem Vorerben die Möglichkeit einzuräumen, die Auswahl des Nacherben abzuändern.

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, www.Erbrecht-Steuerrecht.com, weist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des OLG München vom 27. Januar 2016, Az. 31 Wx 168/15, hin, dass:

  • einer uneingeschränkten Möglichkeit zur Änderung der Bestimmung des Erblassers in Bezug auf die Personen der Nacherben unter Hinweis auf § 2065 Abs. 2 BGB entgegentritt, aber andererseits
  • die unwirksame Regelung im streitbefangenen Testament gemäß § 140 BGB zu einer bedingten Nacherbeneinsetzung umdeutete, die den Vorerben dazu berechtigte, im Hinblick auf die nach Erbschaft abweichend zu verfügen.

Der Erblasser, der aus erster Ehe zwei Söhne als einzige Abkömmlinge hatte und dessen weitere zwei Ehen kinderlos blieben, hatte mit seiner dritten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem er bestimmte, dass die Ehefrau nach seinem Tode nicht befreite Vorerbin sei und dass nach ihrem Tode zu gleichen Teilen die Kinder aus erster Ehenacherben sein. Zugleich bestimmte er, dass die Einsetzung seiner Söhne als Nacherben unter der Bedingung erfolgt, dass seine Ehefrau nicht anderweitig letztwillig testiert. Die Ehefrau war jedoch nur innerhalb seiner Abkömmlinge zur Abänderung der Nacherbenbestimmung befugt.

Aufgrund dieser Bestimmung testierte die dritte Ehefrau nach dem Tod des Erblassers zu Gunsten eines der Kinder. Sie bezog sich dabei auf die vorgenannte Klausel, die ihr das Recht einräumen sollte, frei über die Nacherbenfolge zu bestimmen. Das sah der Abkömmling, der durch die weitere Bestimmung enterbt war, im Erbscheinverfahren anders. Er wehrte sich erfolglos gegen die Erteilung eines Alleinerbscheines.

Zwar hielt das Gericht die testamentarische Anordnung des Erblassers im Hinblick auf § 2065 Abs. 2 BGB für unwirksam. Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung nicht einem anderen überlassen. Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, dass der Erblasser persönlich die Verantwortung für den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens übernehmen muss.

Es ist aber in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass der Erblasser einen Nacherben wirksam unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerben nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt. Der Wirksamkeit einer solchen Regelung steht die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Denn der Vorerbe verfügt, indem er die auflösende Bedingung herbeiführt und damit zum unbeschränkten Vollerben wird über seinen eigenen Nachlass.

Letztlich schimmert in dieser Auslegung des Testamentes auch der Begriff der wohlwollenden Auslegung eines Testamentes durch. Der auslegende Jurist ist in erbschaftsrechtlichen Angelegenheiten gehalten, eine Auslegung zu suchen, die dem offenkundigen Willen des Erblassers am nächsten kommt. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass eine zu vorschnelle Auslegung mit dem Erfordernis der Schriftform, die nun einmal für Testamente gilt, kollidieren kann. Vorliegend hatte das OLG München aber verschiedene weitere Anhaltspunkte, die auf den unbedingten Willen des Erblassers schließen lassen.

In Auseinandersetzungen, die vor Gericht kostspielig geführt werden, zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, bei der Errichtung eines Testamentes, das über die üblichen gesetzlichen Formulierungen hinausgehen soll, einen Fachmann für Erbrecht zu konsultieren. Dann kann sichergestellt werden, dass der Wille schon im Testament zum Ausdruck kommt und nicht erst im Wege der Auslegung ermittelt werden muss.

Andreas Keßler

http://www.erbrecht-steuerrecht.com


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