Nettolebensversicherung: LG Berlin urteilt für Versicherungsnehmer

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Nettolebensversicherungen beschäftigen weiterhin die Gerichte. Ursache ist - neben vielfacher Falschberatungen beim Abschluss im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der Produkte - oft die fehlende Aufklärung über die negativen Folgen der gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung.

Strenge Anforderungen für den Vermittler formulierte dabei jetzt das LG Berlin (Urteil vom 22.11.2012, 7 O 286/10). Damit besteht für viele Versicherungsnehmer die Möglichkeit, weitere Ansprüche der Vermittler abzuwehren.

Sachverhalt:

Der beklagte Versicherungsnehmer unterhielt seit 2004 einen Investmentfonds mit einer Beitragsdauer von 30 Jahren sowie eine fondsgebundene Lebensversicherung. Nach einem Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Klägerin kündigte er Investmentfonds und Lebensversicherung und erhielt ca. 2.200 EUR ausgezahlt. Gleichzeitig unterschrieb der Beklagte zwei Anträge auf den Abschluss von zwei fondsgebundenen Lebensversicherungen sowie zwei Kostenausgleichungsvereinbarung. Nach zwischenzeitlich erklärtem und zurückgenommenen Widerruf des einen Vertrags zahlte der Beklagte einige Raten auf die Kostenausgleichsvereinbarungen und erklärte 4 Monate nach Vertragsschluss die Verträge mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin bestätigte die Kündigung und forderte den Beklagten zur Zahlung der vollen Beträge der Kostenausgleichsvereinbarung auf. Daraufhin kündigte der Beklagte auch die Kostenausgleichsvereinbarung und erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Hierbei berief er sich auf eine angebliche Garantie des Vermittlers von einer Rendite über 6 %. Der später eingeschaltete Rechtsanwalte stellte fest, dass der Vertrag jedenfalls fristgerecht widerrufen worden sei. Der Beklagte erhob Widerklage und verlangte als Schadenersatz die Differenz zwischen den gezahlten Prämien auf Investmentfonds und Lebensversicherung zu dem Rückkaufwert sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Die Klage wurde abgewiesen. Die Widerklage hatte nur teilweise Erfolg.

Entscheidung

Hierbei differenzierte das LG jedoch zwischen den beiden Verträgen.

Der erste Vertrag, der fristgemäß widerrufen worden war, wobei der Widerruf später zurückgenommen wurde, war durch Widerruf des Vertrags rückabzuwickeln. Denn das Gericht legte die erklärte Kündigung als Widerruf aus, da in dem Kündigungsschreiben die Rückabwicklung des Vertrags gefordert wurde. Es habe auch ein zeitlich nicht beschränktes Widerrufsrecht bestanden, da die Klägerin den Kläger nach Rücknahme des fristgerechten Widerrufs erneut über sein neues Widerrufsrecht hätte aufklären müssen, dies aber unterlassen hat. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung fing die Widerrufsfrist somit nicht zu laufen an. Die Kostenausgleichungsvereinbarung wurde als mit dem Versicherungsvertrag verbundenes Geschäft angesehen und war somit vom Widerruf mit erfasst. Infolgedessen konnte der Beklagte seine hierauf geleisteten Beiträge zurückverlangen.

Der zweite Vertrag hingegen war ursprünglich nicht widerrufen worden, so dass er wirksam geworden war und nur durch die Kündigung für die Zukunft beendet wurde. Dennoch sah das Gericht die Kostenausgleichsvereinbarung als unwirksam an, weil sie im Hinblick auf die Nachteile intransparent ist. Im Rahmen des Transparenzgebots sei der Verwender von AGB gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Da der Versicherungsnehmer in der Vereinbarung nicht ausreichend über die negativen Folgen einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags aufgeklärt worden sei, genüge die Vereinbarungen nicht den Anforderungen an die Transparenz. Denn dies hätte eines deutlichen Hinweises dahingehend nötig gemacht, dass bei einer vorzeitigen Kündigung die Schulden aus der Kostenausgleichsvereinbarung den Rückkaufwert der Versicherung übersteigen können.

Allerdings hat das Gericht die Kostenausgleichungsvereinbarung ergänzend dahingehend ausgelegt, dass der Vermittler dennoch die bis zum Zeitpunkt der Kündigung angefallenen Vermittlungsgebühren behalten darf.

Fazit

Die Entscheidung ist in der Sache und im Hinblick auf die darin enthaltenen Ausführungen zu begrüßen. Allerdings lehnt sich die Entscheidung im Wesentlichen an die Auslegung der konkreten Versicherungsbedingungen und Kostenausgleichungsvereinbarung an und es ist fraglich, ob andere Gerichte der hier vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung folgen werden.

Zutreffend ist jedenfalls die Einschätzung, dass es sich bei der Nettolebensversicherung um ein absolutes Nischenprodukt handelt, so dass transparent über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden muss. Denn die Vertragsstruktur ist - obwohl zulässig- selbst für geschäftserfahrende Versicherungsnehmer und Anleger überraschend und im Rahmen eines einmaligen Beratungsgesprächs nicht zur überschauen. Auch wann daher das Produkt Nettopolice nicht als solches als unzulässig anzusehen ist, kann man dem jeweiligen Vermittler auch auferlegen, die eigenen Vorteile der Vereinbarung offenzulegen. Denn schließlich ist kein Vermittler gehindert, die Regelung der Schicksalsteilung in seiner Kostenausgleichsvereinbarung aufzunehmen. Dies wäre wohl im Hinblick auf die gesetzgeberische Wertung als billig anzusehen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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