Nutzungsausfall bei Totalschaden

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Das AG Bad Homburg hatte sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung mit der Frage einer Nutzungsausfallentschädigung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden zu befassen. 

Bei dem Unfall hatte das klägerische Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten. Der Kläger hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches erst einige Tage nach dem Unfall vorlag. Die Versicherung hatte eingewandt, es sei auch für den Laien erkennbar gewesen, dass ein Totalschaden vorlag. Deshalb sei bei der Berechnung des Nutzungsausfalls nicht der Zeitraum zwischen Unfall und Vorlage des Gutachtens miteinzubeziehen, ebenso wenig eine Überlegungszeit nach Vorlage des Gutachtens. Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Hierzu hat es ausgeführt: 

„Der Kläger macht zu Recht einen Anspruch auf weitere Nutzungsausfallentschädigung aus § 7, 17 StVG, 249 BGB i.V.m. § 115 VVG geltend. Dem Eigentümer eines privat genutzten PkW, der durch einen Schaden die Möglichkeit zur Nutzung verliert, steht grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz für seinen Nutzungsausfall zu, wenn er zur Nutzung willens und fähig gewesen wäre“ (BGHZ 45, 212 ff; 161, 151, 154; BGH Urteil vom 18.12.2007 – VI ZR 62/07).

Seine Grenze findet der Ersatzanspruch am Merkmal der Erforderlichkeit nach § 249 Abs. 2 S1 BGB sowie an der Verhältnismäßigkeitsschranke des § 251 Abs. 2 BGB (BGH a.a.O.). Unstreitig bestand ein Nutzungswille und eine Nutzungsmöglichkeit, sodass dem Geschädigten grundsätzlich eine Nutzungsausfallentschädigung wegen entgangener Gebrauchsvorteile während angemessener Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit zustand (König-Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 12 Rdziff. 40). Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Streitig sind allein die Dauer der zu zahlenden Nutzungsentschädigung und deren Tagessatz, mithin die Frage der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Der Ansicht der Beklagten, dass zu der Dauer der Mietzeit noch lediglich 5 Tage Nutzungsentschädigung zu zahlen seien und damit der Anspruch auf Nutzungsentschädigung überobligatorisch bedient worden sei, folgt das Gericht nicht.

„Die Dauer des zu entschädigenden Nutzungsausfalls umfasst die Zeit der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung sowie die für die vorherige Einholung eines Schadensgutachtens bei einem außergerichtlichen Sachverständigen erforderliche Zeit, da die hiermit verbundenen Verzögerungen von dem Schädiger jedenfalls im üblichen zeitlichen Rahmen hinzunehmen sind“ (OLG Düsseldorf DAR 2006, 269; OLG Brandenburg Schaden-Praxis 2007, 361; LG Saarbrücken zfs 2014, 390, 391; AG Hamburg-Wandsbek DV 2014, 116; Knerr-Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Auflage Rz. 95-102).

Somit ist es nach Ansicht des Gerichtes verhältnismäßig, für die Dauer der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung, ob ein Totalschaden vorliegt, einen Mietwagen zu beanspruchen. So entschied bereits das AG Bremen, Urteil vom 22. April 2016 – 7 C 288/15 –:

„Danach durfte der Kläger angesichts der Wertigkeit des Schadens zum Wiederbeschaffungswert seine Entscheidung über den Weg der für ihn richtigen Naturalrestitution im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit bis zum Vorliegen des schriftlichen Gutachtens zurückstellen, um auf dieser Grundlage eine sachgerechte Abwägung vornehmen zu können.“

Ein Laie kann nicht darauf verwiesen werden, dass bereits vor Erstattung des Gutachtens durch ihn festzustellen sein müsste, ob es sich um einen Totalschaden handelt und ob eine Ersatzbeschaffung im Gegensatz zu einer Reparatur angezeigt wäre. Vielmehr ist der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens, so dass dieser die Erstattung des Gutachtens abwarten darf.

So entschied bereits das AG Bremen a.a.O.: „Der Kläger hat mithin nach dem Vorliegen des schriftlichen Sachverständigengutachtens einen Anspruch auf angemessene Überlegungszeit hinsichtlich der Frage, ob er die Reparatur, die im vorliegenden Fall auch durchaus erheblich ausgefallen wäre, durchführen lässt oder ob er von seiner Dispositionsfreiheit Gebrauch macht und stattdessen ein Ersatzfahrzeug erwirbt“ (vgl. zu diesem Aspekt hierzu: Landgericht Saarbrücken, Urt.v. 07.06.2011, NZV 2011, S. 497 f.).

AG Bad Homburg, Urt. vom 11.05.16 - AZ: 2 C 292/16 (10) – 


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