Nutzungsausfallentschädigung ohne Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur des beschädigten Fahrzeuges?
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Alternativ zu einem kostenpflichtigen Mietwagen kann der Unfallgeschädigte nach einem Verkehrsunfall auch eine sog. Nutzungsausfallentschädigung von der gegnerischen Versicherung fordern, d.h. eine Entschädigung dafür, dass er unfallbedingt für eine bestimmte Zeit ohne Fahrzeug war, obwohl er in dieser Zeit ein Fahrzeug hätte nutzen können und insoweit auch Nutzungswillen besaß.
Die Höhe der kalendertäglich zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung bemisst sich danach, in welche Fahrzeugklasse das beschädigte Fahrzeug einzuordnen ist (je höherwertiger und größer das Fahrzeug, desto höher der Tagessatz). Dies stellt der Kfz-Sachverständige im Zuge der Schadensermittlung in seinem Schadengutachten fest, genauso wie die voraussichtliche Wiederbeschaffungsdauer (für den Erwerb eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges bei einem Totalschaden) und den voraussichtlichen Reparaturzeitraum. In der Regel bezieht sich die Nutzungsausfallentschädigung auf folgende Zeiträume:
- Zeit von der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen über die Erstellung des Schadengutachtens bis zur Übermittlung des Gutachtens an den Geschädigten bzw. dessen Rechtsanwalt
- Ggfs. anschließende Überlegungsfrist für den Geschädigten (Frage: Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges oder Reparatur des beschädigten Fahrzeuges?)
- Dauer für eine Ersatzbeschaffung (Wiederbeschaffungsdauer) bzw. Reparaturzeitraum
Voraussetzung für die Zahlung einer angemessenen Nutzungsausfallentschädigung ist ein Nutzungswille des Geschädigten und eine Nutzungsmöglichkeit während des Zeitraumes, für den Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht wird.
In der Regel hat der Geschädigte eine entsprechende Nutzungsmöglichkeit und ist in der Lage, ein Fahrzeug zu benutzen, wenn er nicht gerade aufgrund unfallbedingter Verletzungen oder sonstiger Gründe außer Stande ist, ein Fahrzeug zu führen.
Jedoch kann das Vorliegen eines Nutzungswillen fraglich sein, wenn sich der Geschädigte zunächst gar kein Ersatzfahrzeug beschafft oder alternativ dazu auch keine (technisch mögliche) Reparatur des beschädigten Fahrzeuges durchgeführt wird:
In diesem Fall unterstellen Kfz-Haftpflichtversicherungen oftmals, dass es an einem Nutzungswillen des Geschädigten fehlen würde. Anders gesagt: Wenn sich der Geschädigte kein Ersatzfahrzeug beschafft oder das beschädigte Fahrzeug nicht repariert wird, spreche dies dafür, dass der Geschädigte gar kein Fahrzeug (mehr) benötigt und demnach auch keinen Nutzungswillen habe, sodass ihm in Bezug auf die fehlende Verfügbarkeit eines Fahrzeugs nach dem Verkehrsunfall gar keine spürbare Beeinträchtigung und damit kein erstattungsfähiger (Vermögens-)Schaden entstanden sei. Versicherer verlangen oftmals zunächst einen Kaufvertrag über den Erwerb eines Ersatzfahrzeuges oder eine Reparaturrechnung als Nachweis für einen Nutzungswillen des Geschädigten. Andernfalls wird die Zahlung einer angemessen Nutzungsausfallentschädigung verweigert.
Allerdings wird nach geltendem Recht für einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung erst einmal nur ganz allgemein ein Nutzungswille und eine Nutzungsmöglichkeit des Geschädigten vorausgesetzt – mehr nicht. Daher haben der Bundesgerichtshof sowie vielzählige Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte in der Vergangenheit mehrfach einen Anspruch des Geschädigten auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung bestätigt, auch wenn er sich (zunächst) gar kein Ersatzfahrzeug beschafft bzw. sein beschädigtes Fahrzeug erst einmal gar nicht instand setzen lässt (und deshalb einen Kaufvertrag oder eine Reparaturrechnung nicht vorlegen kann):
Schließlich spreche die unterbliebene Ersatzbeschaffung oder Reparatur noch nicht gegen einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit, zumal der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls nun einmal in Besitz eines Fahrzeuges war und dieses auch aktiv im Straßenverkehr geführt wurde, als es zum Unfall kam. Der hypothetische Nutzungswille des privaten Halters bzw. Eigentümers sei grundsätzlich zu vermuten und die Erfahrung spreche für den Nutzungswillen, wäre der Unfall nicht eingetreten. Hinzu kommt, dass unmittelbar nach dem Unfall die Nutzungsbeeinträchtigung, die durch die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung ausgeglichen werden soll, spürbar eintrete und keinesfalls fiktiv ist. Auch sei die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern, sodass die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich ein vermögenswertes Gut darstelle und als geldwerter Vorteil anzusehen sei.
Tatsache ist auch, dass der für die Nutzungsausfallentschädigung erforderliche Nutzungswille des Geschädigten schlicht auch auf andere Weise als durch Nachweis einer Ersatzbeschaffung oder Reparatur belegt werden kann. Wenn beispielsweise ein Freund oder ein Bekannter der Familie dem Geschädigten nach dem Verkehrsunfall freundlicherweise ein Fahrzeug für notwendige Fahrten leiht (bspw., um zur Arbeit zu kommen oder die Kinder von der Schule abzuholen), bekräftigt dies durchaus bereits einen entsprechenden Nutzungswillen des Geschädigten. Schließlich hätte der Geschädigte sein eigenes Fahrzeug für solche Fahrten verwendet, wäre es nicht durch den Unfall beschädigt worden. Insoweit kann dem Geschädigten auch nicht entgegengehalten werden, dass eine spürbare Nutzungsbeeinträchtigung gar nicht eingetreten sei, weil er sich nach dem Unfall anderweitig beholfen und eine Unterstützung Dritter erhalten habe. Insoweit gilt der Grundsatz, dass Leistungen Dritter den Schädiger nicht entlasten dürfen. Anders gesagt: Der Geschädigte muss es sich nicht anrechnen lassen, wenn er glücklicherweise Freunde und Bekannte hat, die ihm für schlicht notwendige und alltägliche Fahrten (vorübergehend oder in Einzelfällen) erst einmal ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen können.
Dennoch gibt es etliche Gerichte, die offenbar den Behauptungen der Versicherer folgen und nicht ohne Weiteres eine Nutzungsausfallentschädigung bei unterbliebener Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur zusprechen.
Je nach
- Fahrzeugklasse,
- Zeit für die Erstellung des Schadengutachtens (ggfs. mit anschließender Überlegungsfrist für den Geschädigten) und
- voraussichtlicher Wiederbeschaffungs- bzw. Reparaturdauer
beträgt die Nutzungsausfallentschädigung schnell mehrere hundert Euro oder kann sogar im vierstelligen Bereich liegen. Es handelt sich also um eine nicht unerhebliche Vermögensposition.
Es ist daher zu empfehlen, die Nutzungsausfallentschädigung auch dann zu verlangen, wenn eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur (noch) nicht erfolgt, und bei einer Weigerungshaltung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung hartnäckig - unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung und sonstige Beweismittel (bspw. Zeugen; Familienangehörige oder Dritte, die dem Geschädigten ein Fahrzeug für notwendige Fahrten leihen; Belege für öffentliche Verkehrsmittel usw.) - einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit zu behaupten.
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