„Ohne Arbeit kein Lohn“ – auch bei einer unwirksamen Kündigung?

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Im deutschen Arbeitsrecht herrscht der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Die wichtigsten Ausnahmen von diesem Grundsatz werden den Arbeitgebern und Arbeitnehmern bekannt sein: Diese sind die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Urlaubsentgelt. Wie aber verhält es sich, im Falle des Ausspruchs einer Kündigung verbunden mit einer Freistellung für den Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und dem Kündigungszeitpunkt? Und wie verhält es sich für den Zeitraum nach dem Kündigungszeitpunkt, wenn sich der Kündigung ein Kündigungsschutzprozess anschließt?


Den hiesigen Überlegungen ist zugrunde gelegt, dass der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung gegen seinen Arbeitgeber einen Kündigungsschutzprozess führt und in diesem obsiegt. Das Arbeitsgericht stellt mithin fest, dass die arbeitgeberseitige Kündigung unwirksam ist. Das Arbeitsverhältnis war also nie beendet.


Nun aber hat der Arbeitnehmer aufgrund der oben beschriebenen Umstände aber auch nicht gearbeitet. Erhält er „ohne Arbeit (doch) Lohn“? Für die Beantwortung dieser Frage ist zwar jeder Einzelfall für sich zu betrachten. Generell lässt sich aber zumindest Folgendes festhalten:


Der Lohn, den der Arbeitnehmer dann in den hier besprochenen Fällen geltend macht, ist der sogenannte Annahmeverzugslohn. Diesen hat der Arbeitgeber zu zahlen, wenn er sich im sogenannten Annahmeverzug befindet. Das heißt, er nimmt die (angebotene) Leistung nicht an. Im Falle der Freistellung befindet sich der Arbeitgeber regelmäßig im Annahmeverzug. Er setzt sich durch die von ihm ausgesprochene Freistellung quasi selbst in Annahmeverzug. 


Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch trotz der Kündigung nicht von der Arbeit freistellt und der Arbeitnehmer bis zum Kündigungszeitpunkt, also bis zum Eintritt der Wirkung des Kündigungsschreibens, arbeitet, so liegt regelmäßig keine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer vor, dass der Arbeitgeber seine Arbeitsleistung nicht annehmen werde. Obwohl der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber eigentlich anbieten muss, um den Arbeitgeber in den Annahmeverzug zu versetzen, verlangt die Rechtsprechung jedoch vom Arbeitnehmer nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung aber weder ein tatsächliches Angebot noch ein wörtliches Angebot. Die Rechtsprechung erlässt dem Arbeitnehmer in diesem Fall das Leistungsangebot mit der Begründung, dass der Arbeitgeber seinerseits seine Pflicht der Zuweisung vertragsgerechter Arbeit unterlassen habe.


Erhält der Arbeitnehmer in diesen Fällen immer sein volles Gehalt?


Diese Frage ist nicht pauschal mit „Ja“ zu beantworten. Vielmehr muss der Arbeitnehmer in den betreffenden Zeiträumen leistungsfähig und leistungswillig gewesen sein. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer in den betreffenden Zeiträumen arbeitsunfähig krank war. Nach Ab­lauf des sechswöchi­gen Lohn­fort­zah­lungs­zeit­raums erhielte er keinen Lohn vom Arbeitgeber.


Darüber hinaus muss sich der Arbeitnehmer anderweitige Einkünfte anrechnen lassen. Der Arbeitnehmer muss sich mithin das anrechnen lassen, was er verdient hat, weil er seine Dienstleistung durch die Freistellung und/oder Kündigung erspart. Nicht abzuziehen wären allerdings Einkünfte, die der Arbeitnehmer ohnehin – auch bei beiderseits ordnungsgemäßer Abwicklung des Arbeitsverhältnisses – gehabt hätte. Ferner muss sich der Arbeitnehmer auch dasjenige anrechnen lassen, was er „zu erwerben böswillig unterlässt“. Der Gesetzgeber legt dem Arbeitnehmer insoweit eine Art Schadensminderungspflicht auf. Ob ein solches „böswilliges Unterlassen“ des Arbeitnehmers vorliegt, ist jedoch im Einzelfall zu prüfen.


Lassen Sie sich also beraten – insbesondere auch zu den Fragen der Darlegungs- und Beweislast im Gerichtsverfahren.


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