Krankschreibung am Tag der Kündigung passgenau für die Dauer der Kündigungsfrist – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

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Für das Bundesarbeitsgericht (BAG) „wird der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in der Regel durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte AU ist für das BAG das vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.“ Es ist dann an dem Arbeitgeber, den Beweis der ärztlichen AU zu erschüttern, mit der Folge, dass wieder den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast trifft. Zwar dürfen nach Ansicht des BAG an den Vortrag des Arbeitgebers keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, dennoch wird es in der Praxis für den Arbeitgeber nicht selten schwer sein, den Beweiswert einer AU zu erschüttern.

Sofern aber „ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird, kann dies den Beweiswert der AU insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist, also den Zeitraum zwischen Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung, umfasst“. In seinem Urteil 5 AZR 149/21 stellt das BAG insoweit fest, dass „aufgrund der zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen“. Nach Ansicht des BAG ist in einem solchen Fall davon auszugehen, „dass der Beweiswert der vorgelegten AU erschüttert ist“. Folglich liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wieder beim Arbeitnehmer, der den Beweis eben gerade nicht ausschließlich durch die Vorlage einer AU führen kann.

Interessanterweise sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (noch) nicht ganz so und meint, „dass es vielmehr auf die zeitliche Abfolge ankomme“. Wenn nämlich, wie im vom LAG Niedersachsen zu entscheidenden Fall, der arbeitgeberseitigen Kündigung schon eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorausging und der Arbeitnehmer dann Folgebescheinigungen passgenau für den Zeitraum bis zum Kündigungszeitpunkt (Ende des Arbeitsverhältnisses) vorlegt, so könne nicht angenommen werden, „dass der Arbeitnehmer durch die Kündigung zur Krankmeldung motiviert worden sei“. Nach Ansicht des LAG Niedersachsen reiche es für eine Erschütterung des Beweiswertes der AU auch nicht aus, dass der Arbeitnehmer sodann nur einen Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsfähig war und eine andere Tätigkeit aufnahm.

Das LAG Niedersachsen hat die Revision wegen „grundsätzlicher Bedeutung der Sache“ zugelassen. Es bleibt also spannend, wie das BAG sich im Rahmen dieses Falls zu seiner eigenen Rechtsprechung verhält.


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