OLG Celle: Aktuelles Urteil zum illegalen Verkauf eines Probefahrt-Autos

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Wer ein neues Fahrzeug kaufen möchte, nutzt gerne das Angebot von Autohäusern, mit dem favorisierten Auto eine kostenlose Probefahrt zu machen. Doch was gilt rechtlich, wenn der vermeintliche Kaufinteressent in Wahrheit ein Betrüger ist und das Fahrzeug nach der Überlassung zur unbegleiteten Probefahrt einer anderen unwissenden Person verkauft. Kann der getäuschte Käufer in einem solchen Fall überhaupt Eigentum an dem Fahrzeug erwerben oder bleibt das Autohaus der rechtmäßige Eigentümer? Das Oberlandesgericht musste sich in einem aktuellen Fall mit dieser Rechtsfrage auseinandersetzen und kam zu einer brisanten Entscheidung. Lesen Sie in diesem Artikel die Einzelheiten zu dem aktuellen Fall.

Falscher "Interessent" inseriert Probefahrt-Auto bei eBay

In dem Fall vor dem Oberlandesgericht gab ein Autohaus einem angeblichen Kaufinteressenten am 08.09.2020 einen Audi Q5 für eine einstündige Probefahrt. Der vermeintliche Interessent gab gegenüber dem Autohaus falsche Personalien an und kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zurück. Er inserierte das Fahrzeug stattdessen auf der beliebten Verkaufsplattform eBay und verkaufte es dort an einen ahnungslosen Käufer für 31.000 €. Der Betrüger und seine Frau trafen sich mit dem Käufer und übergaben diesem gefälschte Fahrzeugpapiere. Der Kaufpreis wurde vor Ort in bar bezahlt. 

Zwei Wochen später übergab der Käufer das Fahrzeug der Polizei, die es dem Autohaus zurückgab. Das Autohaus verkaufte den Audi Q5 daraufhin für 35.000 €. Der getäuschte Käufer forderte nun vom Autohaus diesen Erlös und argumentierte, dass er der Eigentümer des Fahrzeuges geworden war und ihm daher der Verkaufserlös rechtlich zustehe.

OLG Celle bejaht Eigentumsübergang trotz der Täuschung

Das Oberlandesgericht entschied mit Urteil vom 12.10.2022 (Az. 7 U 974/21) den skurrilen Fall zugunsten des getäuschten Käufers: er habe gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben, sodass ihm auch der Erlös aus dem Verkauf durch das Autohaus rechtlich zusteht. Der Kauf und auch die Übereignung 

Im deutschen Zivilrecht ist es im Regelfall zwar so, dass nur der Eigentümer einer Sache wirksam darüber verfügen kann. Etwas anderes ergibt sich ausnahmsweise nur dann, wenn ein Fall des sogenannten "gutgläubigen Erwerbes" vorliegt. Dieser juristische Fachbegriff umschreibt den Vorgang, dass ein Nichtberechtigter die Kaufsache an einen unwissenden (= gutgläubigen) Käufer übergibt. Auf diese Weise kann ein Käufer von einem Verkäufer Eigentum erwerben, auch wenn diesem die Sache tatsächlich gar nicht gehört. Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der Käufer auch wirklich gutgläubig ist und nicht weiß, dass der Verkäufer gar nicht Eigentümer ist. Zum anderen darf dem wahren Eigentümer (in diesem Fall dem Autohaus) die Sache nicht "abhanden gekommen" sein. Das deutsche Zivilrecht zieht dort eine Grenze für den gutgläubigen Eigentumserwerb, wo eine Sache gestohlen oder anderweitig unwissentlich entwendet wird. Eine Sache kommt aber unter anderem dann nicht abhanden im Rechtssinne, wenn die Sache freiwillig herausgegeben wird. Das Autohaus hatte das Fahrzeug freiwillig für eine unbegleitete einstündige Probefahrt herausgegeben. Ähnliches gilt für Fälle, in denen eine Sache vermietet wird o.ä. Das Autohaus hatte den Besitz an dem Fahrzeug also freiwillig aufgegeben. Der deutsche Gesetzgeber hält in einer solchen Konstellation den gutgläubigen Käufer für schutzwürdiger und gestattet den gutgläubigen Eigentumserwerb. 

Getäuschter Käufer handelte nicht grob fahrlässig

Ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheidet nach den gesetzlichen Regelungen auch dann aus, wenn der Käufer grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer war. Auch das Oberlandesgericht bestätigte in seiner Entscheidung, dass ein Käufer bei dem Kauf eines Kraftfahrzeuges sich zumindest den Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vom Verkäufer vorlegen lassen muss. 

In diesem Fall sei die Zulassungsbescheinigung aus Sicht des OLG Celle aber so professionell gefälscht gewesen, dass der eBay-Käufer die Fälschung nicht habe erkennen müssen. Der Verkauf eines gebrauchten Fahrzeuges auf der Straße gegen Bargeld ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch nicht unüblich und musste keinen Verdacht erwecken, zumal der Kaufpreis nicht auffallend günstig war.

Vor diesem Hintergrund gab das Oberlandesgericht Celle dem getäuschten Käufer Recht und das Autohaus wurde dazu verurteilt, den Verkaufserlös in Höhe von 35.000 € herauszugeben. 

Und die Moral von der Geschichte?

Der Fall vor dem Oberlandesgericht Celle macht einmal mehr deutlich, dass generell bei Gebrauchtfahrzeug-Käufen Vorsicht geboten ist. Achten Sie als Käufer darauf, sich vom Verkäufer die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen zu lassen und diese genau anzuschauen. Wäre die Fälschung offenkundig oder hätten sich Zweifel an der Berechtigung des Verkäufer geradezu aufzwängen müssen oder haben Sie es sogar komplett unterlassen, die Berechtigung vorab zu prüfen, könnten Sie sich nicht auf gutgläubigen Erwerb berufen. Im worst case ist dann der Betrüger mit Ihrem Bargeld über alle Berge und das Fahrzeug müssen Sie an den wahren Eigentümer herausgeben. Ansprüche auf einen etwaigen Verkaufserlös wie in dem Fall vor dem OLG haben Sie dann nicht, wenn Sie grob fahrlässig gehandelt haben. Es bestehen dann zwar Ansprüche gegen den Betrüger, aber oftmals sind diese dann nicht mehr zu identifizieren aufgrund gefälschter Personalien. Daher gilt wie immer: Augen auf beim Autokauf!

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