OLG Hamm 21 U 116/21 bestätigt Rückzahlungsanspruch gegen Online-Casino

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Auch für eine weitere Entscheidung eines Oberlandesgerichts hinsichtlich der Rückzahlung verlorener Spieleinsätze liegt nun die Urteilsbegründung vor. Hier hatte wenige Tage vor der Entscheidung des OLG Karlsruhe auch das OLG Hamm 21 U 116/21 mit Urteil vom 21.03.2023 einem Spieler den Rückzahlungsanspruch zugesprochen. Auch auf dieses Urteil soll kurz geschaut werden.

Seitens des OLG Hamm ist es nicht der erste Sachverhalt, in welchem es sich mit der Frage von Rückzahlungsansprüchen gegen ein online-Casino auseinanderzusetzen hatte. So erging bereits im Jahr 2021 ein Beschluss des OLG Hamm im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens. Auch dem lag ein Klageverfahren zugrunde, in welchem der Kläger verlorene Einsätze zurückerhalten wollte, hierfür jedoch Prozesskostenhilfe beantragte. Im damaligen Verfahren sah das OLG Hamm die bestehende Möglichkeit eines Rückforderungsanspruchs und gestand dem Kläger damit zu, mit seinem Anliegen aller Voraussicht nach nicht komplett erfolglos zu sein. Nunmehr bestätigte das OLG Hamm in einem Berufungsurteil im Wesentlichen seine damaligen Grundsätze.


Kein Ausschluss von prozessualen Verbraucherrechten bei Forderungsabtretung an einen Prozessfinanzierer

Zunächst ist in diesem Sachverhalt herauszustellen, dass die betroffene Spielerin den einzuklagenden Rückzahlungsanspruch an einen Prozessfinanzierer abgetreten hatte. Damit stellte sich zum einen die Frage, ob die Spielerin die Forderung überhaupt noch selbst einklagen kann, zum anderen, ob durch die Abtretung mögliche Verbraucherprivilegien entfallen. Ein solches Verbraucherprivileg ist vor allem der Umstand, dass der Verbraucher an seinem Wohnort in Deutschland klagen kann, auch wenn das zu verklagende Unternehmen im Ausland sitzt.

Das OLG Hamm verweist darauf, dass nicht ausschlaggebend ist, wie der Anspruch eingeklagt wird (hier also trotz Abtretung an den Prozessfinanzierer im eigenen Namen), sondern worauf der Anspruch letztlich beruht (hier also auf einem (nichtigen) Vertragsverhältnis zwischen einem Verbraucher und einem gewerblichen Casino-Betreiber).

Das OLG Hamm führt daher aus:

„Der Begriff des Verbrauchers (…) ist anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht anhand ihrer subjektiven Stellung zu bestimmen.

Maßgeblich für die Bestimmung der Verbrauchereigenschaft ist mithin nicht die Art der Geltendmachung der sich aus einem Vertrag ergebenden Ansprüche (…) sondern die Zielsetzung des Vertrags bei Abschluss und Durchführung. Eine Forderungsabtretung kann für sich allein keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts haben.“

Damit spielt die Abtretung der einzuklagenden Forderung jedenfalls dann keine Rolle, wenn der Spieler weiterhin zur eigenen Geltendmachung der Forderung in der Abtretungsvereinbarung ermächtigt ist. Zumindest darauf muss geachtet werden.


Keine unterstellte Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Spielangebots trotz Tätigkeit für einen Sportwettenanbieter

Wesentlicher Kernpunkt einer jeden Spielerklage ist stets das Problem, ob der Spieler Kenntnis von der Illegalität des Casino-Angebots hatte oder aber, ob er bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände eine solche Kenntnis hätte haben müssen. Auch im Verfahren des OLG Hamm wurde dies entsprechend gewürdigt. Ein weiterer interessanter Aspekt der OLG Hamm-Entscheidung ist aber, dass die dortige Spielerin ihrerseits selbst bei einem Glücksspielanbieter gearbeitet hat, wenn auch dort lediglich im Bereich Sportwetten und auch dort nur im Kunden-Support. Insoweit stellte das OLG durchaus heraus, dass es sich bei der Spielerin also nicht um einen durchschnittlichen Kunden eines online-Casinos handelte. Dennoch sei im Grunde davon auszugehen, dass auch einer einfachen Mitarbeiterin eines online-Casinos nicht zu unterstellen ist, dass sie über die rechtlichen Fragen des Spielangebots informiert ist. Damit zeigt auch das OLG Hamm auf, dass die Kenntnis eines Spielers von der Illegalität eines Spielangebots oder aber ein bewusstes sich Verschließen eines Spielers vor einer solchen Kenntnis nicht ohne weiteres anzunehmen ist. Hier müssen schon starke Indizien seitens der Casino-Betreiber aufgezeigt werden, welche jedenfalls nicht in der bloßen Existenz von Medienberichten oder aber - wie hier - in einer bestimmten beruflichen Stellung unmittelbar zu unterstellen sind.

Natürlich, es ist keine Frage, dass ein solcher Nachweis für die Casino-Betreiber regelmäßig schwer oder auch gar nicht zu erbringen ist, denn die Frage der Kenntnis ist nun einmal rein an Subjektivität gebunden. Allerdings nimmt die Rechtsprechung diese Unwägbarkeiten ausdrücklich hin. Der Grundsatz, wer hier was darzulegen und zu beweisen ist allgemeingültig und beschränkt sich nicht auf bestimmte Fallkonstellationen. Hätte die Rechtsprechung oder aber der Gesetzgeber - nicht nur in Fällen der Casino-Fälle - ein unlösbares Problem bei Streitigkeiten rund um einen „Bereicherungsausgleich“ gesehen, dann wäre dies auch in Gesetz und Rechtsprechung verankert. Das aber ist nicht der Fall, sodass grundsätzlich, wie in jedem Bereicherungsfall, der Leistende (also der einzahlende Spieler) belegen muss, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet war und der Herausgebende (hier das zur Rückzahlung verpflichtete Casino), dass einer Herausgabe die Kenntnis des Spielers entgegensteht.

Daher lässt auch das OLG Hamm hier keine Zweifel und führt schon in seinem Leitsatz dazu aus:

„Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen (…) für einen bewussten oder zumindest leichtfertigen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot durch den Spielteilnehmer, liegen beim sich darauf berufenden Bereicherungsschuldner, so dass verbleibende Zweifel zu seinen Lasten gehen.“


Doch Achtung: es darf nicht unterschlagen werden, dass es durchaus auch Fälle gibt, in denen der Nachweis der Kenntnis gelungen ist und dahingehende Verfahren auch verloren gegangen sind. Auch das OLG Hamm weist darauf mehr oder weniger hin und geht davon aus, dass eine einmal festgestellte Kenntnis von der Illegalität auch nicht durch weitergehende Auslegung des Gesetzeszwecks ausgehebelt werden kann. Gerade dieser Punkt ist auch zwischen den einzelnen Oberlandesgerichten sehr umstritten und wird daher unterschiedlich betrachtet. An einer sorgsamen rechtlichen Prüfung vor Geltendmachung etwaiger Ansprüche wird ein jeder Spieler also nicht vorbeikommen.


Auch vor dem OLG Hamm: keine Anwendung der Grundsätze des BGH zu Rückforderungsansprüchen gegen Zahlungsdienstanbieter

Auch das OLG Hamm setzt sich mit den Wertungen des BGH XI ZR 515/21 zur Problematik der Rückforderung von Zahlungsanweisungen gegenüber Zahlungsdienstleistern auseinander. Der BGH geht in dieser Entscheidung davon aus, dass eine gegenüber einem Zahlungsdienstleister ergangene Freigabe für eine Zahlung nicht deshalb per se unwirksam sei, nur weil das zugrundeliegende online-Spiel, für welches die Zahlung erfolgen soll, ein verbotenes Glücksspiel war. Genauso wie das OLG Karlsruhe geht auch das OLG Hamm davon aus, dass beide Sachverhalte - also Ansprüche gegen Casino-Betreiber und Ansprüche gegen Zahlungsdienstleister - grundsätzlich unterschiedlich zu bewerten sind. Ein Rückschluss auf den Fall des Spielers, welcher gegen das online-Casino direkt klar, lasse sich daher aus der Entscheidung des BGH gerade nicht treffen.


Was soll der BGH entscheiden, wenn es keine zu klärenden, sich entgegenstehenden Rechtsansichten gibt?

Zur Frage der Möglichkeit der Revision zum BGH geht das OLG Hamm davon aus, dass diese schon deshalb nicht notwendig sei, da keine ungeklärte Rechtsfrage dem BGH vorgelegt werden müsse, zudem sei eine solche beim BGH bereits anhängig. Es verweist darauf, dass bislang keine unterschiedliche OLG-Rechtsprechung erkennbar ist, welche im Ergebnis einer Klärung durch den BGH bedarf.

Dem ist zuzustimmen. Man kann im Detail sicherlich über die juristischen Wege der einzelnen Oberlandesgerichte diskutieren. Allerdings: egal mit welchen Begründungen und über welchen juristischen Weg, aber sämtliche bisher vorliegende Urteile seitens der Oberlandesgerichte sprechen den Spielern einen Rückzahlungsanspruch verlorenen Einsätze zu. Das gleiche Bild geben diejenigen Oberlandesgerichte ab, welche zwar keine Urteile gesprochen haben, jedoch durch verschiedene Beschlüsse sich zu der Problematik geäußert haben. Von 24 Oberlandesgerichten haben sich bisher 11 Oberlandesgerichte zur Thematik geäußert, dabei im Wesentlichen stets im gleichen Tenor und stets mit dem gleichen Ergebnis der Rückzahlung. Weitere Entscheidungen der Oberlandesgerichte dürften in diesem Jahr folgen. Auch mit Blick darauf würde es im Grunde überraschen, wenn der BGH im Falle der zwischenzeitlich anhängigen Revision einen komplett anderen Ansatz wählt und Rückzahlungsansprüche von Spielern zurückweist.


Die Rechtslage sieht damit weiterhin durchaus sehr gut für glücklose Spieler aus, sodass auch weiterhin eine Prüfung von Ansprüchen dringend zu empfehlen ist. Aber auch an dieser Stelle sei der eindringliche Hinweis gegeben, dass die bisherige OLG-Rechtsprechung zwar einheitlich zugunsten der Spieler ausfällt. Allerdings sind die Wege dorthin durchaus unterschiedlich. Die Probleme können daher stets im Detail liegen. Bis der BGH eine verbindliche Richtlinie gibt kann also nicht komplett ausgeschlossen werden, dass in besonderen Fallkonstellationen ein OLG auch einmal einen Rückzahlungsanspruch zurückweisen wird. Eine anwaltliche Prüfung des Sachverhalts ist daher in jeder Hinsicht zu empfehlen.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben oder aber eine Rückforderung anstreben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.


update, Stand 27.10.2023:

Gegen das Urteil des OLG Hamm wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH I ZR 53/23 eingereicht. Damit ist neben dem Verfahren BGH VI ZR 99/23 ein zweites Verfahren beim BGH zur Thematik anhängig. Auch dann, wenn es sich dabei nicht um eine "echte Revision" handelt sondern nur um eine Beschwerde dahingehend, dass das OLG Hamm die Revision nicht zugelassen hat, muss sich auch der BGH I ZR 53/23 mit der Thematik befassen.


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