OLG Hamm: 80-jähriger Pedelec-Fahrer haftet für Unfall nach verkehrswidriger Schrägfahrt allein

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Zu OLG Hamm , Beschluss vom 09.02.2016 – 9 U 125/15

Ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer, der verkehrswidrig von einem durch eine durchgehende weiße Linie von der Fahrbahn abgeteilten Geh- und Radweg schräg auf die Fahrbahn gefahren war, um nach links abzubiegen, und dabei mit einem Pkw kollidierte, muss für die Unfallfolgen alleine haften. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Vorinstanz mit Beschluss vom 09.02.2016 bestätigt (Az.: 9 U 125/15).

Mit Pedelec quer über die Straße

Der zum Unfallzeitpunkt 80-jährige Kläger befuhr mit seinem Pedelec einen rechts von der Fahrbahn durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg. An einer Kreuzung wollte er links abbiegen, um eine Zuwegung zu erreichen, die sich einer Häuserzufahrt anschloss. Dazu fuhr er über die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Auf der Fahrbahn kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Pkw der erstbeklagten Fahrerin. Der Pkw berührte mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers das Hinterrad des Pedelecs. Der Kläger stürzte und erlitt Prellung sowie Frakturen im Beckenbereich. Von der Erstbeklagten und der zweitbeklagten Haftpflichtversicherung forderte er 20.000 Euro Schmerzensgeld und etwa 500 Euro materiellen Schadenersatz. Das Landgericht Essen wies die Klage ab. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

OLG: plötzliche, achtlose Schrägfahrt grob fahrlässig

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das OLG nahm ein erhebliches Eigenverschulden des Klägers an dem Unfall an, das eine Haftung der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der von dem Pkw ausgehenden Betriebsgefahr ausschließe. Der Kläger habe die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt. Er habe ohne die gebotene Rückschau gleichsam blindlings versucht, von dem rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der Straße hinweg in die gegenüberliegende Zufahrt einzubiegen. Um sich verkehrsgerecht zu verhalten, hätte der Kläger bis zum Einmündungsbereich fahren müssen. Dort hätte er die Straße im rechten Winkel überqueren müssen. Bei dem ausgeführten Fahrmanöver habe der Kläger seine Absicht abzubiegen weder rechtzeitig angekündigt noch auf den hinter seinem Rücken herannahenden Verkehr geachtet. Die vom Kläger unvermittelt eingeleitete Schrägfahrt habe dazu geführt, dass das Pedelec auf der Straße in Sekundenbruchteilen ein breites, gefährliches Hindernis gebildet habe.

Keine mangelnde Rücksichtnahme auf Alter des Klägers

Ein Verschulden der Erstbeklagten am Zusammenstoß sah das OLG nicht bewiesen. Ihr könne nicht vorgeworfen werden, sich nicht auf das erkennbar höhere Alter des Klägers eingestellt zu haben. Zwar habe sich ein Fahrzeugführer durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit zu vergewissern, dass eine Gefährdung von Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen ausgeschlossen sei. Dabei erfordere allerdings nicht jeder im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Verkehrsteilnehmer aus diesem Personenkreis ein sofortiges Herabsetzen der eigenen Geschwindigkeit. Eine solche Reaktion sei erst dann geboten, wenn das Verhalten der Person oder die Situation, in der sie sich befinde, Auffälligkeiten zeige, die zu einer Gefährdung führen könnten.

Bloße Betriebsgefahr des Pkw tritt hinter grobem Fehlverhalten des Klägers zurück

Hiervon habe die Erstbeklagte vor dem Unfall nicht ausgehen müssen. Bei ihrer Annäherung an den auf einem abgeteilten und ausreichend breiten Radweg fahrenden Kläger habe sie nicht allein aufgrund des höheren Alters des Klägers damit rechnen müssen, dass dieser die konkrete Verkehrssituation nicht gefahrlos habe beherrschen können. Laut OLG tritt die bloße Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hinter dem groben Fehlverhalten des Klägers zurück.

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