OLG Karlsruhe: Tipico Games Ltd. hat sich strafbar gemacht. Ein Fall für den Staatsanwalt?

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Dr. Redell Rechtsanwälte erstreiten weiteres Urteil gegen Tipico

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In einem weiteren von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 19.12.2023 die Berufung des Online-Glücksspiel-Anbieters Tipico Games Ltd. (im Weiteren: "Tipico") gegen ein klagezusprechendes Urteil des Landgerichts Heidelberg zurückgewiesen und "Tipico" alle Kosten des Rechtsstreits auferlegt. 

Spieler hat Anspruch auf Rückzahlung aller Spielverluste

Mit Urteil vom 28.02.2023 hatte die 8. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg "Tipico" zur Rückzahlung von Spielverlusten des Klägers aus der Zeit von Januar 2014 bis April 2021 in Höhe von insgesamt 87.447,00 € verurteilt. Hiergegen hatte "Tipico" sodann fristgerecht Berufung vor dem OLG Karlsruhe eingelegt, welche der 19. Zivilsenat nun mit Urteil vom 19.12.2023 zurückwies.

Ansprüche des Spielers nicht verjährt

Obwohl der Kläger mit seiner Klage aus dem Jahre 2022 auch Verluste geltend gemacht hat, welche länger als 3 Jahre zurücklagen, sah der Senat diese Ansprüche nicht als verjährt an. Möglich macht dies der § 852 BGB, welcher im sog. "Diesel-Abgasskandal" eine Renaissance erlebte.

§ 852 BGB besagt:

"1Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. 2Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an."

Tipico Games Ltd. hat sich mit dem Anbieten unerlaubten Online-Glücksspiels strafbar gemacht

Der Senat sah die Voraussetzungen des § 852 BGB vorliegend als gegeben an, weil er der Auffassung ist, dass die Tipico Games Ltd.

"vorsätzlich den als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB einzustufenden Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB verwirklichte, was dazu führte, dass dem Kläger ein der Höhe der Spieleinsätze ent-
sprechender Vermögensnachteil entstand."

Nach § 284 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt. Dies wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer dies gewerbsmäßig tut, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Wörtlich führt der Senat hierzu weiter aus:

"Sinn und Zweck des § 284 StGB ist, die wirtschaftliche Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft des Publikums unter staatliche Kontrolle zu nehmen, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob dies das einzige Ziel der Vorschrift ist. Die Spielleidenschaft wird dadurch wirtschaftlich ausgebeutet, dass der Spieler bewusst einen Vermögenswert für die Beteiligung an der Gewinnaussicht opfert (vgl. BGH NJW 1958, 758). Der Schutzzweck des § 284 StGB ist daher primär in der Absicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs und damit im Schutz des Einzelnen vor der Gefahr von Manipulationen beim Glücksspiel zum Schaden seines Vermögens zu sehen (...).

Dass die Beklagte den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB verwirklicht hat, ergibt sich aus dem unstreitigen Parteivortrag. Sie hat ohne behördliche Erlaubnis öffentlich Glücksspiel veranstaltet. Die Tat ist auch im Sinne des § 3 StGB im Inland begangen. Deutsches Recht kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Veranstalter des Glücksspiels im Ausland handelt, aber die Beteiligung im Inland über das Internet erfolgen kann. Nach § 9 StGB erfasst die Strafnorm auch die Angebote ausländischer Glücksspielveranstalter, da als Taterfolg die Eröffnung einer Beteiligungsmöglichkeit im Inland anzusehen ist (vgl. OLG Köln, aaO,- juris Rn. 77 mwN). 

Auch steht außer Frage, dass die Beklagte durch ihre Organe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat: Sie wusste, dass sie öffentlich Glücksspiel veranstaltete, ohne über eine Erlaubnis der deutschen Behörden zu verfügen und ihr war auch bekannt, dass eine solche für virtuelles Glücksspiel wegen des in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 angeordneten Totalverbots ohnehin nicht zu erlangen war. Sollte sie – was schon im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer AGB unter I. 7. (s.o.) fernliegend erscheint – der unzutreffenden Annahme gewesen sein, ihre maltesische Lizenz wäre insoweit ausreichend, handelt es sich – aus den nachstehend angeführten Gründen – um einen vermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB (vgl. OLG Köln, aaO,- juris Rn. 77 mwN), der den Vorsatz des Täters nicht entfallen lässt. Die gleiche Beurteilung gilt dann, wenn sich die Beklagte von der verfehlten Einschätzung hätte leiten lassen, die Bestimmung des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 wäre mit Unionsrecht unvereinbar. In beiden Fällen knüpft eine zu erwägende Fehlvorstellung allein daran an, eine Erlaubnis der deutschen Behörden sei nicht erforderlich, während ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB nur dann vorläge, wenn die Beklagte der irrigen Annahme gewesen wäre, ihr sei von den deutschen Behörden eine Erlaubnis erteilt worden. Derartiges kann schon deshalb zuverlässig ausgeschlossen werden, weil sie das erwähnte Totalverbot kannte.

Sollte sie der unzutreffenden Auffassung gewesen sein, aufgrund ihrer maltesischen Erlaubnis auch in Deutschland virtuelle Glücksspiele anbieten zu dürfen, wäre der darin liegende Rechtsirrtum deshalb vermeidbar gewesen, weil der EuGH bereits 2010 entschieden hat, dass keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedsstaaten erteilten Erlaubnisse besteht (Urteil vom 08.09.2010 - C 316-07- Rn. 112)."

Die Teilnahme des Spielers an den unerlaubten Online-Glücksspielen von "Tipico" erachtete der Senat hingegen nicht als strafbar: 

"Unabhängig davon kann insbesondere nicht angenommen werden, dass sich der Kläger seinerseits nach § 285 StGB wegen Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel strafbar gemacht haben könnte. Denn gerade aufgrund des vermeintlich seriösen Auftretens der Beklagten im Internet erscheint es ohne Einschränkung glaubhaft, dass der Kläger gemäß seinen Angaben bei der Parteivernehmung davon ausging, das Angebot der Beklagten sei legal, weshalb bei ihm ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB vorlag. Eine fahrlässige Tatbegehung ist nach §§ 285, 15 StGB nicht strafbar."  heißt es hierzu vom Senat wörtlich.

Schließlich lies der Senat eine Revision zum BGH nicht zu und lehnte auch die von Seiten des Anbieters begehrte Aussetzung des Verfahrens ab.

"Zunächst freut es uns sehr für unseren Mandanten, dass sich der lange Weg und das lange Warten für ihn gelohnt hat. Des Weiteren birgt diese Entscheidung aber auch erheblichen Sprengstoff. Denn es bleibt nun abzuwarten, ob die Angelegenheit eine Sache für die Staatsanwaltschaft ist und wie sich die Glücksspielbehörde hierzu verhält. Inzwischen verfügt die Tipico Games Ltd. über die erforderliche Lizenz bzw. wurde ihr diese von der Glücksspielbehörde erteilt. Aber ob ihr diese überhaupt unter diesen Umständen hätte erteilt werden dürfen, ist sehr fraglich", sagt Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell, der den Kläger im vorliegenden Verfahren rechtlich vertrat.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: https://www.redell.com/blog

Sollten Sie auch Verluste beim Online-Glücksspiel erlitten haben, melden Sie sich gerne unverbindlich bei uns über rechtsanwalt@redell.com. Ihre Anfrage wird selbstverständlich vertraulich und diskret behandelt.



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