Opferanwalt als Beistand im Prozeß – Urteil BGH vom 4.12.2012 zu Mordmerkmalen

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 Wem steht bei Mord und Totschlag ein Anspruch auf einen Opferanwalt zu?

Jedem, der durch einen versuchten Mord oder Totschlag betroffen wurde, ist durch das Gericht gemäß § 397a StPO ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen. Bei einem rechtswidrig Getöteten steht dieses Recht den Angehörigen zu.

Angehörige sind gemäß § 11 Abs. 1 StGB:

- Verwandte und Verschwägerte gerader Linie

- der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes,

-  Geschwister,

- Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist.

Der Verfasser des Berichts ist seit 2001 als Opferanwalt, unter anderem für die Opferschutzorganisation „Weisser Ring", tätig. Er wurde vor kurzem in einem Mordfall auf Antrag des Vaters einer Getöteten zu dessen Beistand bestellt.

Der Beiordnung stand nicht entgegen, dass der geschiedenen Ehefrau eine eigene Opferanwältin als Beistand beigeordnet wurde.

Welche Rechte stehen dem Opferbeistand zu?

Der anwaltliche Beistand ist gemäß § 397 StPO zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt: Er kann

- Richter oder Sachverständige ablehnen,

- das Fragerecht ausüben,

- Anordnungen und Fragen des Vorsitzenden beanstanden,

- Beweisanträge stellen und

- Erklärungen abgeben

Kann ein anwaltlicher Beistand ein Urteil anfechten?

Ja, dieses Recht steht ihm gemäß § 401 Abs. 1 S.1 StPO unabhängig von der Staatsanwaltschaft zu.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat etwa vor kurzem mit Urteil vom 4.12.2012 - 1 StR 336/12 - den Revisionen von Staatsanwaltschaft und Opfer gegen ein freisprechendes Urteil des Landgerichts stattgegeben.

„...Beide beanstanden zu Recht, dass das Landgericht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe abgelehnt hat.

1. Beim Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 StGB) ist die Kammer - mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung - davon ausgegangen, dass C. im Zeitpunkt der Abgabe des Schusses arg- und wehrlos war. Rechtsfehlerhaft hat der Tatrichter jedoch in der Folge das Bewusstsein des Angeklagten verneint, diese Arg- und Wehrlosigkeit zur Tötung ausgenutzt zu haben.

Das subjektive Merkmal des Ausnutzungsbewusstseins liegt vor, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers in ihrer Bedeutung für dessen hilflose Lage und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen ...

Der Vertreter der Nebenkläger, RA Prof. Dr. W., hat in seiner Revisionsbegründung hierzu u.a. ausgeführt:

„Rechtlich fehl geht auch die Hilfserwägung der Kammer, wonach jedenfalls die subjektive Seite des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht gegeben sei. ...

Bei der Prüfung der niedrigen Beweggründe ist erforderlich und zugleich genügend, dass der Täter die Umstände kennt und bewusst erfasst, welche die Bewertung seines Handlungsantriebes als niedrig begründen. Dagegen braucht er ihre Bewertung als weder niedrig vorzunehmen noch nachzuvollziehen; auf seine eigene Einschätzung oder rechtsethische Bewertung kommt es nicht an (BGHSt 6, 329, 331; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 6, 13, 15, 23, 24; st. Rspr.)."


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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