Pädagoge ohrfeigte ein Kind auf dem Schulhof und war dabei durch Notwehr gerechtfertigt

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Am 02.06.2016 entschied das OLG Düsseldorf (Az. III-1 RVs 16/16) einen vieldiskutierten Beschluss. Es sah die Ohrfeige eines Mannes gegenüber einem Erstklässler durch Notwehr gemäß § 32 StGB als gerechtfertigt an.

Es handelte sich dabei um einen Betreuer in einer Ganztagsschule. Während des Aufenthalts im Hof wurden die Spielchen der Erstklässler immer wilder. Der Angeklagte zog sich aufgrund dessen in den hinteren Teil des Hofs zurück und beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Die Kinder realisierten jedoch nicht, dass der Betreuer sich damit von deren Spiel zurückzog und folgten ihm. Sie fingen an, den Betreuer aus spielerischen Motiven zu schlagen und zu bespucken. Dieser forderte die Kinder zunächst verbal auf, damit aufzuhören. Als keine Reaktion und Beendigung erfolgte, entschied er sich, dem ihm am nächsten befindlichen Kind eine Ohrfeige zu versetzen und damit die Situation zu deeskalieren und die anderen Kinder so von weiteren Schlägen abzuhalten. Dass er als durchaus kräftige Person den Erstklässlern deutlich überlegen war, ist dem Betreuer bewusst gewesen. Die Ohrfeige selbst verursachte bei dem betroffenen Kind nicht unerhebliche Schmerzen, die jedoch bereits nach zehn Minuten vollständig abgeklungen waren. Der Betreuer untermauerte seine Handlung noch mit der Aussage: „Ich lasse mich nicht anspucken. Ich bin nicht euer Fußabtreter.“

Die Kinder waren durch das Geschehen geschockt und beendeten ihr Spiel augenblicklich.

Bei der Frage um eine mögliche Rechtfertigung der Körperverletzungshandlung des Betreuers wurde ein gegenwärtiger Angriff auf seine körperliche Integrität und damit eine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB vom OLG als vorliegend angesehen.

Auch dass die Ohrfeige zur sofortigen Beendigung des Angriffs der Kinder geeignet war, wurde unstreitig festgestellt.

Einzig die Frage nach einem gleichwertigen, milderen Mittel wurde näher untersucht.

Grundsätzlich darf der Verteidiger das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten lässt. Stehen allerdings mehrere, gleich wirksame Mittel zur Verfügung, so hat er, wenn Zeit zur Auswahl und Einschätzung der Gefährlichkeit zur Verfügung steht, das relativ mildeste Mittel zu wählen.

Die verbalen Versuche zur Beendigung des Angriffs sind ohne Wirkung geblieben.

Darüber hinaus entschied das Gericht, dass die Inanspruchnahme von Hilfe weiterer, ebenfalls im Hof anwesender hauptamtlicher Pädagogen oder die Flucht ins Schulgebäude nicht gleichwertig zur Ohrfeige seien.

Es sei nicht davon auszugehen, dass die Kinder, die auf eine verbale Einwirkung des Angeklagten zuvor nicht reagiert haben, nunmehr einer Aufforderung des hauptamtlichen Kollegen zur Beendigung des Angriffs umstandslos gefolgt wären. Zusätzlich wäre eine sofortige Reaktion des Kollegen nicht sichergestellt, da dieser zum Tatzeitpunkt mit der Betreuung anderer, sich ebenfalls im Hof befindlicher Kinder beschäftigt war.

Auch bei einer Flucht ins Schulgebäude wäre nach Meinung des Gerichts zu befürchten, die Kinder den Angeklagten weiterhin verfolgt und dabei das Schlagen und Spucken fortgesetzt hätten.

Im Ergebnis entschied das Gericht, dass zum Tatzeitpunkt kein milderes, gleichwertiges Mittel zur Beendigung des Angriffs für den Angeklagten zur Verfügung gestanden hatte.

Allerdings griff das OLG zusätzlich die Frage auf, ob die Notwehr geboten gewesen ist, da es sich bei dem Angreifer um eine schuldlos handelnde Person handelte.

In solch einer Konstellation wird vom Verteidiger erwartet, sollte es ihm in der konkreten Situation möglich sein, zunächst auszuweichen.

Eine solche Möglichkeit ohne substantiellen Rechtsverlust bestand für den Angeklagten – wie oben bereits aufgeführt – nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall nicht. Das keine erheblichen Verletzungen wegen weiterer Schläge mehrerer Erstklässler zu erwarten gewesen sind, sei für eine solche Abwägung unerheblich. Zumal auch die Ohrfeige keine erhebliche Verletzung für das betroffene Kind darstelle.

Zu guter Letzt stellte das Gericht noch fest, dass ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Züchtigungsrecht als Rechtfertigungsgrund in diesem Fall nicht anwendbar gewesen wäre. Lehrer oder andere Privatpersonen als die Eltern haben keinerlei Recht zu Körperverletzungshandlungen, auch wenn ein erzieherischer Anlass besteht und die Handlung Erziehungszwecken dient. Allerdings handelte der Betreuer nicht aus dem Motiv der Bestrafung heraus, sondern allein zur Abwehr des Angriffs. Es lag daher kein verbotener Züchtigungswille, sondern ein rechtfertigender Verteidigungswille vor.

Der Angeklagte wurde daher im Ergebnis freigesprochen. Seine Körperverletzungshandlung gegenüber einem Kind war durch die Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt und damit straflos.

Ich verteidige Sie beim Vorwurf der Körperverletzung. Vereinbaren Sie zeitnah einen persönlichen Termin.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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