Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Abrufbarkeit in Online-Archiven?

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Stellen Sie sich vor, Sie wären kürzlich als berühmter erfolgreicher Geschäftsmann ganz nach oben auf der Erfolgsleiter angekommen. Jetzt spricht Sie ein Kollege auf einen Vorfall an, der bereits fünf Jahre zurückliegt: Damals waren Sie ein mittelmäßig erfolgreicher und doch in seinem Bundesland allseits bekannter Jungunternehmer. Da tauchte auf einmal diese Strafanzeige gegen Sie wegen Kokainbesitzes auf, und ehe Sie sich versahen, wurde nicht nur gegen Sie ermittelt, sondern es erschien auch gleich ein Artikel in der Online-Ausgabe der Regionalzeitung darüber. Zwar wurde das Verfahren gegen Sie später eingestellt. Dass der Artikel von damals aber immer noch online verfügbar ist, darauf kommen Sie erst heute wieder. Plötzlich könnten Ihr Ansehen und damit die Karriere gefährdet sein. Sie fragen sich: Können Sie sich eigentlich dagegen wehren?

Grundsätzliches Recht auf Resozialisierung

Das Recht eines Straftäters sich zu resozialisieren - sich in die Gesellschaft wiedereinzugliedern - und nicht permanent durch die Medien an den Pranger gestellt zu werden, hat in Deutschland hohe Bedeutung, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1971 im sog. Lebach-Urteil klargestellt hat (BVerfG, Urteil vom 5.6.1973, 1 BvR 536/72). Denn eine Berichterstattung Jahre später mit derart hoher Breitenwirkung, wie sie die Medien innehaben, führe dazu, dass der Betroffene  mit einem Makel der Kriminalität behaftet und in der Folge aus der Gesellschaft ausgegrenzt werde. Demnach besteht zwar dann, wenn das Ermittlungsverfahren aktuell ist, ein hohes öffentliches Interesse an der Berichterstattung. Jedoch gewinnt nach dem BVerfG das Recht des Betroffenen, nicht mehr damit konfrontiert zu werden, mit fortschreitendem zeitlichem Abstand zur Verurteilung immer mehr an Bedeutung, weil soziale Nachteile fortan zu befürchten sind. Dieses muss aber angesichts dessen erst Recht gelten, wenn der Betroffene tatsächlich gar nicht rechtskräftig verurteilt wurde, sondern das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Festzuhalten ist dabei, dass die Tagesberichterstattung zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßig war, wenn die Grenzen der sog. Verdachtsberichterstattung eingehalten wurden. Hierzu ist es erforderlich, dass die Information von öffentlichem Interesse ist - angesichts des Bekanntheitsgrad in der Region gegeben. Der Betroffene darf zudem nicht vorverurteilt werden, d. h. es darf nicht einseitig berichtet werden, sondern auch entlastende Umstände müssen offenbart werden.

Nun wird man vor diesem Hintergrund sicher zu dem Schluss kommen, dass eine erneute Berichterstattung über die Person des Unternehmers, in der der Umstand wieder aufgegriffen wird, dass einst ein später eingestelltes Verfahren lief, fünf Jahre später rechtswidrig wäre.

... anders aber bei Online-Archiven

Wird jedoch lediglich ein damals rechtmäßiger - weil zum damaligen Zeitpunkt nicht vorverurteilender - Artikel im Onlinearchiv zum Abruf bereitgehalten, beurteilt der BGH dies seit dem Jahre 2009 (Urteil vom 15.12.2009, Az. VI ZR 227/08) anders: Zwar ist hierdurch grundsätzlich auch ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gegeben (Öffentlichmachung eines Fehlverhaltens) und eine Abwägung der Interessen am Einzelfall erforderlich. Jedoch muss dabei beachtet werden, dass das Bereithalten im Onlinearchiv im Ergebnis wohl gerade nicht rechtswidrig sein wird, weil mit ganz erheblichem Gewicht einfließen muss, dass der Verbreitungsgrad im Fall des Onlinearchivs - einer passiv gestalteten Darstellungsform - gering ist. Das Auffinden setzt eine gezielte Suche voraus, d. h. der Auffindende muss sich aktiv auf die Suche nach der Information gemacht haben, was wohl nur im Einzelfall vorkommt. Aufgrund des Archivcharakters ist für den Leser erkennbar, dass es sich lediglich um eine Altmeldung handelt. Zudem müsse das Interesse des Lesers Beachtung finden, sich über Ereignisse aus dem Zeitgeschehen zu informieren. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass der BGH drei Jahre später (Urteil vom 30.10.2012, Az.VI ZR 4/12) klargestellt hat, dass es sich im Fall der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht um eine nachträglich unrichtig gewordene Information handelt, wenn unter der Altmeldung im Nachtrag über die Einstellung informiert wird. Insbesondere ändere die Unschuldsvermutung hieran nichts, da im strafrechtlichen Sinne eine Einstellung nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen ist.

Sehen auch Sie sich einer Berichterstattung ausgesetzt, durch die Sie sich in Ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen? Oder wird von Ihnen die Löschung gefordert? Wir helfen Ihnen bei der Verteidigung Ihrer Rechte.

Sie können uns telefonisch unter 030/206 269 22 oder per E-Mail mail@ra-scharfenberg.com erreichen.

Rechtsanwältin Scharfenberg


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