Pflichtverteidigung in Steuerstrafsachen

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Das Amtsgericht Kaiserslautern hatte über einen Antrag auf Pflichtverteidigung in einer Steuerstrafsache zu entscheiden. Das Amtsgericht hat am 06.09.2022 den Antrag des Beschuldigten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege. Weder die Schwere der Tat noch die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen noch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erfordere die Mitwirkung eines Verteidigers. Jedoch hat der Beschuldigte aufgrund seiner mangelnden Sprachkenntnisse Anspruch auf die Dienste eines Dolmetschers.

Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern (LG Kaiserslautern, Beschl. v. 01.12.2023 - 7 Qs 8/22)

Der Wahlverteidiger des Beschuldigten hat gegen diesen Beschluss am 21.09.2022 sofortige Beschwerde eingelegt, die am selben Tag beim Amtsgericht Kaiserslautern eingegangen ist. Zur Begründung führte er an, dass es bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung notwendig sei, die Ermittlungsakte zu kennen, welche nur einem Verteidiger zugänglich sei. Außerdem sei es schwierig, zwischen privaten und gewerblichen Verkäufen im Internet zu unterscheiden, und dass ein Dolmetscher nicht ausreichend sei, um die Sprachbarriere zu überwinden.

Die sofortige Beschwerde ist nach Ansicht des Landgerichts Kaiserslautern zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Hier liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 und 4 StPO vor, der sich aus mehreren Gesichtspunkten des konkreten Einzelfalls ergibt. Die Rechtslage ist schwierig, da es sich bei dem Vorwurf um Steuerhinterziehung handelt, die nur in einer Zusammenschau von strafrechtlichen und steuerrechtlichen Normen zutreffend erfasst werden kann. Deshalb ist in Steuerstrafverfahren die Mitwirkung eines Verteidigers regelmäßig geboten.

In diesem Fall wird dem Beschuldigten vorgeworfen, über die Plattform E-Bay gewerblich Verkäufe getätigt zu haben, ohne diese zur Steuer angemeldet zu haben. Die Umsätze der Verkäufe bewegen sich jährlich zwischen ca. 15.000 Euro und 45.000 Euro, und es ist nicht einfach zu bestimmen, ab welcher Grenze eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt. Hinzu kommt, dass eine Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht ausreichend vorbereitet werden könnte und eine Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen vor dem Amtsgericht Kenntnis der Ermittlungsakte erfordert.

Da der Beschuldigte nicht in der Lage ist, die für seine Verteidigung relevanten Teile der Akten zu benennen und in ihrer Bedeutung einzuschätzen, ist eine (vollständige) Akteneinsicht durch einen Verteidiger notwendig. Daher ist die sofortige Beschwerde des Wahlverteidigers des Beschuldigten zulässig und in der Sache erfolgreich.

Auswirkung der Entscheidung für die Pflichtverteidigung

Bislang wurde in Steuerstrafverfahren regelmäßig angenommen, dass eine Pflichtverteidigung nicht nur deshalb notwendig ist, weil das Steuerrecht kompliziert ist. Mit dieser Entscheidung hat das Landgericht Kaiserslautern jedoch eine gänzlich andere Entscheidung getroffen und damit dem Europäischen Gerichtshof folgend die Beschuldigtenrechte gestärkt.

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Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler


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