PKV: Widerruf ohne Nachweis der Nachversicherung möglich

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Zum Widerruf der privaten Krankenversicherung

In der juristischen Praxis sind Probleme mit der Beendigung von privaten Krankenversicherungsverträgen häufig Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Ein Grund hierfür ist, dass das Gesetz für die Wirksamkeit einer Kündigung voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer vor dem Beendigungszeitpunkt den Nachweis einer Nachversicherung erbringt. Andernfalls ist die Kündigung wirkungslos und der Vertrag läuft weiter. Die Regelung dient im Endeffekt der Durchsetzung der allgemeinen Versicherungspflicht und ist insoweit für die Parteien auch nicht disponibel. Allerdings wurden inzwischen einige Konstellationen anerkannt, in denen der Nachweis ausnahmsweise nicht zu erbringen ist.

Das LG Dortmund hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit auch für den Widerruf des Versicherungsvertrags ein Nachweis der Nachversicherung zu erbringen ist.

Sachverhalt

Der Sachverhalt war dabei lehrbuchhaft.

Offenbar im Rahmen einer Trennung hat der beklagte Versicherungsnehmer bei der Klägerin eine Krankenkostenvollversicherung abgeschlossen. Anlass war wohl, dass er davon ausging, dass mit der Trennung die Familienversicherung bei der Ehefrau automatisch endete. Nach telefonischer Beratung durch den Krankenversicherer seiner Ehefrau erklärte der Beklagte innerhalb der Widerrufsfrist per Brief den Widerruf. Die Klägerin behauptete, dass ihr der Brief nicht zugegangen sei. Der später mit anwaltlichem Schreiben erneut erklärte Widerruf sei nicht ausreichend, da ihm kein Nachweis der Nachversicherung beigelegen hätte. Außerdem sei er verspätet. Der Beklagte hatte keine Beiträge zur Versicherung gezahlt, die die Klägerin nun mit der Klage geltend machte. Leistungen hatte sie keine erbracht.

Entscheidung

Das LG Dortmund hatte also die Frage zu klären, ob der Versicherungsvertrag durch eine der beiden Widerrufserklärungen beendet wurde.

Der erste Widerruf unmittelbar nach Vertragsschluss konnte nicht zur Rückabwicklung des Vertrags führen. Zwar genügt für die Fristwahrung die Abgabe zur Post innerhalb der Widerrufsfrist. Die Erklärung muss also nicht innerhalb der Frist bei dem Versicherer eingehen. Damit entfällt aber nicht die Notwendigkeit, dass der Widerruf dem Versicherer irgendwann einmal zugeht. Dies konnte der Beklagte hier nicht beweisen.

Allerdings war der 3 Jahre später erklärte Widerruf mit anwaltlichem Schreiben noch fristwahrend, weil die Frist zum Widerruf erst zu laufen beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer u. a. der Versicherungsschein übergeben wird. Der Beklagte hatte hier den Erhalt bestritten. Der klagende Versicherer hingegen konnte die Zustellung nicht nachweisen, weil der Versicherungsschein - wie allgemein üblich - nur per normaler Post versandt wurde. Ein Indiz für eine Zustellung z. B. durch aktive Zahlung der Erstprämie oder die Inbezugnahme in der Korrespondenz war nicht gegeben, so dass das Gericht nicht feststellen konnte, dass der Versicherungsschein zugestellt worden war. Da der Versicherer es nach ständiger Rechtsprechung selbst in der Hand hat, den Versand nachweisbar zu organisieren, ging dies vorliegend zu seinen Lasten.

Der vom Anwalt erklärte Widerruf war auch wirksam. So stellte das Gericht fest, dass aus dem § 205 Abs. 6 VVG nur eine Verpflichtung folgt, bei der Kündigung - also der zukünftigen Beendigung des Vertrags - nachzuweisen, dass eine Anschlussversicherung besteht. Eine entsprechende Anwendung auf den Widerruf hielt das Gericht hingegen für nicht angezeigt. Es begründete dies damit, dass der Bestand einer Nachversicherung vom Gesetz nicht ausnahmslos für alle Beendigungsgründe verlangt wird. Auch enthielte das Recht der Krankenversicherung keine ausdrückliche Regelung hierzu, die unproblematisch möglich gewesen wäre. Schließlich - und das dürfte ein tragendes Argument sein - würde das Recht des Versicherungsnehmers durch die Notwendigkeit der Nachversicherung unverhältnismäßig eingeschränkt. Hätte er seinen Vertrag beim Vorversicherer bereits mit dem Nachversicherungsvermerk des Versicherers gekündigt müsste er innerhalb der Widerrufsfrist einen Vertrag bei einem anderen Versicherer abschließen und von diesem auch den Nachweis der Nachversicherung erlangen. Dies dürfte mit Gesundheitsprüfung und normaler Bearbeitungszeit innerhalb der Widerrufsfrist kaum möglich sein. Schließlich verstieße nach Ansicht des LG die analoge Anwendung gegen die europarechtliche Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher. Hiernach ist dem Verbraucher zwingend ein Widerrufsrecht einzuräumen, dass vom nationalen Gesetzgeber nicht einseitig verschärft werden darf.

Fazit

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass dem Versicherer im Massengeschäft keine Beweiserleichterung dahingehend eingeräumt wird, dass die von ihm versandten Schreiben den Versicherungsnehmer auch erreichen. Vielmehr hat der Versicherer nach der Rechtsprechung seinen Versand wichtiger Erklärungen so zu organisieren, dass der Zugang nachgewiesen werden kann. Im Hinblick darauf, dass dies bei Anfechtungserklärungen, Kündigungen oder Rücktritten regelmäßig eingehalten wird, weil der Versand per Einschreiben erfolgt, übersteigt dies auch nicht die organisatorischen Möglichkeiten. Dass die Versicherer hierauf aus Kostengründen verzichten, kann nicht zu einer Beweiserleichterung führen.

Bedeutsamer ist jedoch die Stellungnahme zu der umstrittenen Frage, ob für den Widerruf auch der Nachweis der Nachversicherung zu erbringen ist. Die herrschende Ansicht in der Literatur befürwortet diese zusätzliche Anforderung und ihr ist bislang auch das im Urteil zitierte LG Berlin und LG Nürnberg-Fürth gefolgt. Dennoch sprechen die von dem LG Dortmund angeführten Gründe dafür, hier keine analoge Anwendung vorzunehmen. Denn - und darauf stellt das Gericht überzeugend ab - es ist praktisch unmöglich, innerhalb der Widerrufsfrist diese Nachversicherung beizubringen, d. h. dass das Widerrufsrecht damit faktisch entwertet wird.

Allerdings wird eine Rechtssicherheit erst zu erwarten sein, wenn einmal der BGH zu dieser Frage hat Stellung nehmen können.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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