P&R-Insolvenz: Zur Anfechtbarkeit von Auszahlungen an die Gläubiger

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Im Grunde kommen zwei Anfechtungstatbestände gegenüber den Gläubigern in Sachen P&R-Insolvenz in Betracht, nämlich diejenigen aus § 133 InsO wegen Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit (Anfechtungsfrist zehn Jahre) und aus § 134 InsO (angeblich unentgeltliche Leistungen wegen Schneeballsystems), Anfechtungsfrist vier Jahre.

Grundsätzlich ist die Anfechtungsproblematik aus Gläubigersicht lösbar, wenn die Schlüsseldetails wissensbasiert gewürdigt werden.

Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird nach der Rechtsprechung bereits vermutet bei öffentlichen Meldungen über Zahlungsprobleme des Schuldners.

Denn es gilt nach wie vor die Rechtslage gemäß der BGH-Entscheidung vom 27.03.2008 (IX ZR 98/07, LG Bautzen, lexetius.com/2008,762.), basierend auf der BGH-Entscheidung vom 26.09.2002 (IX ZR 66/99, OLG Celle, lexetius.com/2002,2445).

Soll heißen: Wer einmal Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat, hat immer Kenntnis davon. Es gilt der anfechtungsrechtliche Grundsatz: „Einmal Kenntnis, immer Kenntnis“.

Aufgrund von Zahlungsstockungen (reicht als Indiz aus) soll die Anfechtbarkeit aller Zahlungen einer Schuldnerin an Dritte nach § 133 InsO für zehn Jahre gegeben sein. Wer dem noch beihelfe – so die Meinung –, der verlängere den Todeskampf des Schuldners und nehme billigend in Kauf, dass weitere Gläubiger geschädigt werden.

Gedacht war wohl an Gläubiger, die Zahlungen aufgrund eines Insolvenzantrages erhielten, diesen dann zurücknahmen, während die Insolvenz über das Vermögen des Schuldners innerhalb der folgenden zehn Jahren eröffnet wurde. Derartige Druckzahlungen sollten leicht anfechtbar sein.

Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners soll nur unter kaum erfüllbaren Bedingungen entfallen:

„Eine bereits vor der angefochtenen Rechtshandlung gegebene Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entfällt, wenn er aufgrund neuer, objektiv geeigneter Tatsachen zu der Ansicht gelangt, nun sei der Schuldner möglicherweise wieder zahlungsfähig. Den Wegfall der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hat der Anfechtungsgegner zu beweisen; der Beweis ist erbracht, wenn feststeht, dass der Anfechtungsgegner infolge der neuen Tatsachen ernsthafte Zweifel am Fortbestand der Zahlungsunfähigkeit hatte.“ (BGH, Urteil vom 27.03.2008, Az.: IX ZR 98/07; LG Bautzen, lexetius.com/2008,762.)

Die Kenntnis vom Wegfall der Zahlungsunfähigkeit durch den Anfechtungsgegner ist damit so gut wie nicht zu beweisen, siehe BGH IX ZR 3/12, Urteil vom 06.12.2012 („Nikolausentscheidung“). Die Nikolausentscheidung ließ keinen Raum mehr für rechtliche Grauzonen.

Achtung: Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes soll gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet werden, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteilige. Kenne der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so wisse er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitele oder zumindest erschwere und verzögere. Mithin sei der Anfechtungsgegner (Gläubiger) regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urteil vom 29.09.2011, IX ZR 202/10).

Ein weiteres Anfechtungsrisiko ergibt sich aus einem Schneeballsystem wegen § 134 InsO, BGH, Urteil vom 08.01.2015, IX ZR 198/13; OLG Hamburg, lexetius.com/2015,34). Bei einer der Zahlung folgenden Sanierung müssen dem Anfechtungsgegner die Ursachen der Insolvenz bekannt sein, BGH ZIP 2016, 1235, was meist auch nicht der Fall ist.

Der Anfechtungszeitraum nach § 133 InsO beträgt 10 Jahre, der nach § 134 InsO vier Jahre.

Bei einer Anfechtung sollen die anlegerbezogenen Werte in die Insolvenzmasse fließen müssen, während die daraus entstehende Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden soll. Werden diese Zahlungen später noch angefochten, soll eine ergänzende Meldung zu Insolvenztabelle möglich sein.

Fazit: Rückforderungsansprüche gegen die Gläubiger liegen nicht im Interesse der überwältigenden Mehrheit der Anleger. Eine erste Klage der Verwalters wurde vom Bundesgerichtshof abgewiesen. 

Betroffene Gläubiger des P&R-Komplexes können sich zwecks kostenfreier anwaltlicher Beratung registrieren lassen. Schauen Sie bitte nach Absendung Ihrer Daten in Ihr E-Mail-Postfach.  

Zwischenzeitlich hat sich die Rechtsprechung zu Gunsten der Anleger geändert.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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