Prämiensparvertrag: überraschendes Urteil zu Lasten der Sparkasse

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Das OLG Dresden hat am 22.04.2020 über die Musterfeststellungsklage, die die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig führt (5 MK 1/9), ein Urteil zu Lasten der Sparkasse gefällt.

1. Zinsansprüche sind nicht verjährt

Völlig überraschend hat das OLG Dresden bereits am Ende der Verhandlung weitgehend zu Gunsten der Sparkassenkunden entschieden. Danach sind die von der Sparkasse in den Prämiensparverträgen enthaltenen Klauseln über die Anpassung der Zinsen unwirksam. Weiter hat es entschieden, dass die Ansprüche der Sparkassenkunden auf zu niedrig gezahlte Zinsen nicht verjährt sind. Die Verjährung würde erst mit der Beendigung des Sparvertrages beginnen. Das bedeutet, die nicht korrekt berechneten Zinsen müssen für die gesamte Vertragslaufzeit nachgezahlt werden.

2. Keine Entscheidung über Höhe des Anspruchs

Nicht entschieden hat das Gericht allerdings, wie konkret der Zins zu berechnen ist und insbesondere welcher Referenzzinssatz zugrunde zu legen sei. Ausweislich der Pressemitteilung des OLG Dresden zu der Entscheidung müsse die Höhe des individuellen Anspruchs in einer gesonderten Klage des jeweiligen Verbrauchers geklärt werden.

3. Revision wurde zugelassen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Richter des OLG Dresden haben die Revision zum BGH zugelassen. Die Verbraucherzentrale Sachsen rechnet damit, dass in der Sache Mitte 2021 vor dem BGH verhandelt wird.

4. Auswirkungen des Urteils

Das Urteil betrifft zunächst nur die Kunden der Sparkasse Leipzig und die dort konkret geschlossenen Prämiensparverträge. Es hat aber auch eine Signalwirkung für die zahlreichen bundesweiten Streitigkeiten zwischen Sparkassenkunden und Sparkassen zu den Prämiensparverträgen. Denn nach wie vor behaupten die meisten Sparkassen, ihre Zinsen korrekt berechnet zu haben, außerdem seien die Ansprüche sowieso verjährt. Das sieht das OLG Dresden nun ausdrücklich anders.

5. Hintergründe

Schon seit längerem moniert der Bundesgerichtshof, dass Zinsänderungsklauseln, die keine nachvollziehbaren Angaben dazu enthalten, unter welchen Bedingungen sich der Zins ändert, unwirksam sind. Derart unwirksame Klauseln haben die meisten Sparkassen in den seit Mitte der 1990er Jahre angebotenen Verträgen „Prämiensparen flexibel“ verwendet. Regelmäßig hieß es dort z. B. „Es gilt der jeweils im Preisaushang bekanntgegebene Zinssatz (derzeit … % p. a.)“, „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit … % verzinst“ oder eine ähnlich unbestimmte Angabe zu den Zinsen.

6. Rechtsprechung des BGH

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kann die Sparkasse, wenn sie eine unwirksame Klausel verwendet hat, nicht einfach selbst bestimmen, wie dann die Zinsen zu berechnen sind. Vielmehr soll das gelten, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Klausel unwirksam ist. Dabei muss ein nachprüfbarer Referenzzins verwendet werden, der auch der langen Laufzeit des jeweiligen Sparvertrages gerecht wird. Außerdem muss der relative Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins während der gesamten Laufzeit beachtet werden. Es soll insbesondere nicht zulässig sein, den Vertragszins um die Prozentpunkte zu verändern, um die sich der Referenzzins verändert. Denn dann wären auch negative Zinsen möglich, was ebenfalls dem Wesen des Prämiensparvertrages widersprechen dürfte.

7. Chancen für betroffene Kunden

Die Verbraucherzentralen bieten zum Teil eine Nachberechnung der Verträge an, die regelmäßig Zinsnachforderungen im vierstelligen Bereich ausweisen. Kunden von Prämiensparverträgen haben gute Chancen, aufgrund von Neuberechnungen der Zinsen Ansprüche auf Zinsnachzahlungen für die gesamte Vertragslaufzeit durchsetzen zu können. Dort, wo die Sparkassen die Verträge bereits gekündigt haben, ist zu beachten, dass dies Ansprüche zeitnah verjähren. Wurde der Vertrag bereits 2017 gekündigt, würden die Ansprüche Ende 2020 verjähren. 

Neben den Zinsforderungen haben Sparkassenkunden in einigen Fällen auch Chancen, sich erfolgreich gegen die Kündigungen zu wehren (vgl. "Chancen für Sparkassenkunden bei Prämiensparverträgen" und "Darf die Sparkasse den Prämiensparvertrag kündigen").

Rechtsanwältin Jana Narloch berät und vertritt betroffene Sparer und verfolgt die Entwicklung der Rechtsprechung dazu bereits seit einiger Zeit.


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