Prospekthaftung und Vertreterhaftung für Finanzberater | Übersicht für 2024

  • 9 Minuten Lesezeit

Wann Sie Schadensersatz bei Falschberatung oder falscher Werbung verlangen können

In der Finanzwelt sind Klarheit und Vertrauen wesentliche Elemente für das Gelingen der Beziehung zwischen Investoren und ihren Beratern. Aber was passiert, wenn diese essenziellen Säulen durch unzutreffende Informationen oder Beratungsmängel erschüttert werden? In solchen Situationen treten die Prinzipien der Prospekthaftung und Vertreterhaftung in den Vordergrund, die für Investoren äußerst wichtig sein können.

Der vorliegende Artikel widmet sich den juristischen Grundlagen und den praktischen Gesichtspunkten der Prospekthaftung sowie der Vertreterhaftung im Bereich der Finanzen. Er vermittelt eine Einführung darüber, unter welchen Umständen und auf welche Weise Investoren Schadensersatz fordern können, falls sie aufgrund von unvollständigen oder irreführenden Angaben in Finanzprospekten oder wegen des fehlerhaften Verhaltens von Finanzberatern Verluste hinnehmen müssen.

Wir analysieren die juristischen Rahmenbedingungen, die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und die typischen Fälle, in denen Investoren Ansprüche erheben können. Zudem bieten wir praktische Ratschläge, wie sich Investoren in der komplizierten Landschaft der Finanzberatung absichern können.

Wegen der Komplexität und des Umfangs dieses Themas können wir leider keinen umfassenden Überblick geben. Daher dient dieser Artikel eher als Einstieg in diese Thematik und soll zur selbstständigen Recherche animieren oder zur Konsultation eines auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalts führen.



Grundlagen der Prospekthaftung

Definition

Bei der Ausgabe von Wertpapieren (dies umfasst alle handelbaren Wertpapiere, ausgenommen Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit unter 12 Monaten, gemäß der EU-Prospekt-Verordnung), die entweder öffentlich angeboten oder für den Handel an einem regulierten Markt zugelassen werden, ist in der Regel die Erstellung eines Prospekts erforderlich. Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen von dieser Regel, wie in § 3 des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) festgelegt.

Die Prospekthaftung bezieht sich auf die juristische Verantwortlichkeit der Verfasser von Wertpapierprospekten hinsichtlich der Korrektheit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Angaben. Ein Prospekt ist ein Informationsdokument, das potenziellen Investoren wesentliche Details über ein Wertpapier, wie Aktien oder Anleihen, zur Verfügung stellt. Ziel der Prospekthaftung ist es, zu gewährleisten, dass Investoren ihre Entscheidungen auf Basis verlässlicher und umfassender Informationen treffen können.


Rechtliche Grundlagen

Das deutsche Wertpapierprospektgesetz (WpPG) stellt die fundamentale rechtliche Basis für die Prospekthaftung dar. Es regelt die Erstellung, Genehmigung und Veröffentlichung von Wertpapierprospekten und definiert die Bedingungen, unter denen die Herausgeber von Prospekten haftbar gemacht werden können. Für andere Anlageformen (wie Unternehmensbeteiligungen, Treuhandvermögen, Genussrechte, Namensschuldverschreibungen, partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen oder Einlagengeschäfte gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG)) können das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) oder das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) Anwendung finden.

Die EU-Prospekt-Verordnung (VO (EU) 2012/1129) harmonisiert die Vorschriften für Wertpapierprospekte innerhalb der EU. Sie sorgt dafür, dass Investoren in der EU gleichartige Informationen erhalten, unabhängig vom Mitgliedstaat, in dem das Wertpapier angeboten wird.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt allgemeine Haftungsregeln fest, wie die deliktische Haftung, die auch im Rahmen der Prospekthaftung von Bedeutung sein können.


Verantwortlichkeiten

Für den Inhalt eines Prospekts tragen verschiedene Parteien Verantwortung. Dazu zählen die Anbieter der Wertpapiere, der Emittent (das Unternehmen, das die Wertpapiere ausgibt), die Person oder das Unternehmen, das die Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel beantragt, sowie der Garantiegeber, sofern vorhanden. Bei öffentlich angebotenen Wertpapieren liegt die Verantwortung für den Prospekt immer beim Anbieter. Sollen die Wertpapiere an einer Börse gehandelt werden, tragen neben dem Emittenten auch das Kreditinstitut, das Finanzdienstleistungsinstitut oder das Wertpapierinstitut, welches die Zulassung zusammen mit dem Emittenten beantragt, Verantwortung. Übernimmt jemand eine Garantie für die Wertpapiere, so ist auch dieser Garantiegeber für den Prospektinhalt verantwortlich (siehe § 8 WpPG).



Schadensersatzansprüche bei Prospekthaftung

Anleger, die durch fehlerhafte oder unvollständige Angaben in einem Börsenzulassungsprospekt für Wertpapiere (gemäß § 9 WpPG), in Prospekten für andere Arten öffentlicher Wertpapierangebote (nach § 10 WpPG), in Wertpapier-Informationsblättern (entsprechend § 11 WpPG) oder aufgrund des Fehlens eines Prospekts (laut § 14 WpPG) Verluste erlitten haben, können unter bestimmten Bedingungen Schadensersatz fordern.


Informationsdokumente

Diese Ansprüche beziehen sich auf Fälle, in denen Wertpapiere auf der Grundlage von Informationsdokumenten wie Prospekten oder Wertpapierinformationsblättern erworben wurden. Diese Dokumente dienen dazu, potenziellen Investoren wesentliche Informationen über die Wertpapiere zu vermitteln.


Unrichtige oder unvollständige Informationen

Ein Prospekt darf keine falschen, irreführenden oder unvollständigen Informationen enthalten, insbesondere wenn es um wesentliche Fakten geht, die für die Anlageentscheidung eines durchschnittlichen Anlegers wichtig sind.


Kausalität

Es muss ein direkter Zusammenhang zwischen dem erlittenen Schaden des Anlegers und den Fehlern im Prospekt nachgewiesen werden. Der Anleger muss belegen, dass der Schaden aufgrund der fehlenden, fehlerhaften, irreführenden oder unvollständigen Informationen im Prospekt oder Informationsblatt entstanden ist.


Erwerb der Wertpapiere aufgrund des Prospekts

Der Anleger muss die Wertpapiere auf der Basis des fehlenden, fehlerhaften, irreführenden oder unvollständigen Prospekts erworben haben.


Fristen

Für die Geltendmachung aller Ansprüche gibt es zeitliche Beschränkungen. In der Regel müssen diese innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf oder nach dem ersten öffentlichen Angebot der Wertpapiere erhoben werden.


Haftungsausschluss

Die §§ 12 und 13 WpPG definieren Haftungsausschlüsse. § 12 legt fest, dass Personen oder Unternehmen, die für einen Prospekt verantwortlich sind, insbesondere dann nicht haftbar gemacht werden können, wenn sie von den Fehlern nichts wussten oder wenn der Käufer des Wertpapiers nicht direkt durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusst wurde. § 13 regelt entsprechendes für Wertpapier-Informationsblätter.


Rechtsfolgen

Die gesetzlichen Regelungen erlauben es Investoren, die erworbenen Wertpapiere zurückzugeben und den Kaufpreis zurückerstattet zu bekommen oder Schadensersatz für die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis zu fordern, falls sie die Wertpapiere bereits veräußert haben.



Grundlagen der Vertreterhaftung für Finanzberater

Definition

Die Vertreterhaftung im Finanzsektor bezieht sich auf die rechtliche Verantwortung von Finanzberatern oder -vertretern für Schäden, die durch ihre Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit entstehen. Dies umfasst Beratungsfehler, Fehlinformationen, Nichtbeachtung von Kundeninteressen oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften.

Der Begriff des Finanzberaters ist weit gefasst und schließt neben gebundenen Ein-Firmenvermittlern (nach § 84 Handelsgesetzbuch - HGB) auch unabhängige oder freie Finanzberater (Makler, gemäß § 93 HGB) ein.

Zu den verschiedenen Berufsgruppen gehören Anlageberater, Honorar-Anlageberater, Finanzanlagenberater, Finanzanlagenvermittler, Honorar-Finanzanlagenberater, Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler, Versicherungsberater, Rentenberater und Immobiliardarlehenvermittler. Für alle diese Berufe ist eine staatliche Zulassung erforderlich.


Umfang

Die Haftung kann sich auf direkte finanzielle Verluste, entgangene Gewinne oder andere Schäden erstrecken, die der Kunde aufgrund der Handlungen des Vertreters erleidet.


Rechtliche Grundlagen

§ 34d Gewerbeordnung (GewO): Dieser Paragraf regelt die Anforderungen und Pflichten für Versicherungsvermittler und Versicherungsberater. Das sind Personen, die gewerbsmäßig Versicherungs- oder Rückversicherungsverträge vermitteln oder darüber beraten. Sie benötigen eine Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer, welche ihnen erteilt wird, wenn sie die erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen und sich jährlich weiterbilden.

§ 34f GewO: Dieser Paragraf regelt die Zulassungsvoraussetzungen für Finanzanlagenvermittler. Das sind Personen, die gewerblich bestimmte Finanzprodukte vermitteln oder darüber beraten. Dazu gehören Anteile an offenen oder geschlossenen Investmentvermögen (wie Fonds) und andere Arten von Vermögensanlagen. Diese müssen die notwendige Erlaubnis, Sachkunde und Zuverlässigkeit besitzen, um ihre Dienstleistungen anzubieten.

§ 34h GewO: Dieser Paragraf regelt die Anforderungen und Pflichten für Honorar-Finanzanlagenberater. Das sind Personen, die gewerbsmäßig Anlageberatung im Sinne des § 1 Abs. 1a Nr. 1a KWG zu Finanzanlagen im Sinne des § 34f Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 GewO erbringen möchten, ohne von einem Produktgeber abhängig zu sein oder Zuwendungen von ihm zu erhalten. Sie benötigen eine staatliche Erlaubnis der zuständigen Behörde, welche inhaltlich beschränkt oder mit Auflagen verbunden sein kann.

Wertpapierhandelsgesetz (WpHG): Dieses Gesetz enthält Vorschriften zur Anlageberatung und zu den Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Kreditwesengesetz (KWG): Dieses Gesetz regelt unter anderem die Aufsicht über Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute.


Verpflichtungen von Finanzberatern und -vermittlern

Beratungs- und Dokumentationspflichten, § 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Der Finanzberater (in diesem Fall Versicherungsvermittler) muss die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden erfragen und berücksichtigen. Er muss eine angemessene Beratung auf Basis der Informationen des Kunden durchführen und die Beratung muss dokumentiert und dem Kunden eine schriftliche Begründung für jeden Vorschlag gegeben werden.

Informationspflichten, § 13 Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV): Gewerbetreibende müssen Anleger vor Abschluss eines Geschäfts umfassend und in verständlicher Form über Risiken, Kosten und Nebenkosten informieren.



Schadensersatzansprüche bei Vertreterhaftung

§ 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die aus der Verletzung einer Pflicht innerhalb eines Schuldverhältnisses resultieren, wie beispielsweise aus einem Beratungsvertrag.

§ 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung): Dieser Paragraph wird oft angewandt, wenn sich ein Kunde oder Anleger nicht an seinen Vertragspartner, sondern an einen Vertriebsmitarbeiter eines Finanzberatungsunternehmens, Mitarbeiter von Banken oder vertraglich gebundene Vermittler wenden möchte. Er setzt keinen Beratungsvertrag voraus.

Ferner existieren spezialgesetzliche Schadensersatzansprüche, die sich auf aufsichtsrechtliche Bestimmungen stützen, wie die des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) oder des Kreditwesengesetzes (KWG).


Typische Szenarien

Fehlerhafte Anlageberatung: Dies tritt auf, wenn ein Finanzberater eine Anlage empfiehlt, die nicht den Bedürfnissen oder dem Risikoprofil des Kunden entspricht.

Interessenkonflikte: Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Berater seine eigenen Interessen über die des Kunden stellt, beispielsweise durch den Verkauf von Produkten, die höhere Provisionen einbringen, aber für den Kunden nicht geeignet sind.

Fehlinformationen: Dies bezieht sich auf die Bereitstellung unzutreffender oder irreführender Informationen über Anlageprodukte.


Wichtige Voraussetzungen

Der Kunde muss beweisen können, dass eine Pflichtverletzung seitens des Beraters vorliegt, zum Beispiel ein Verstoß gegen die Beratungspflichten nach dem VVG oder WpHG.

Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden bestehen.

Ansprüche müssen innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend gemacht werden.



Praktische Tipps für Anleger


Verständnis der Beratungsgrundlage

Es ist wichtig, die Rolle und Verantwortlichkeiten des jeweiligen Beraters zu verstehen. Verschiedene Arten von Beratern haben unterschiedliche Interessen, Pflichten und Vergütungsmodelle.


Transparenz und Offenlegung

Stellen Sie sicher, dass Ihr Berater alle Gebühren, Provisionen und möglichen Interessenkonflikte klar darlegt. Dies ist besonders relevant bei Produkten, die unter die Prospekthaftung fallen.


Dokumentation und Prospekte

Lesen Sie alle relevanten Dokumente, insbesondere Prospekte, gründlich durch. In Prospekten finden sich wesentliche Informationen über Anlageprodukte, darunter Risiken, Kosten und die bisherige Entwicklung des Produkts.


Risikobewusstsein

Verstehen Sie das Risiko, das mit verschiedenen Anlageoptionen einhergeht. Höhere Erträge sind oft mit höheren Risiken verbunden. Es ist ratsam, eine zweite Meinung einzuholen, vornehmlich bei großen oder komplexen Finanzentscheidungen. Seien Sie skeptisch gegenüber Angeboten von garantierten Renditen oder risikofreien Investitionen; solche Versprechen sind oft irreführend.


Haben Sie Fragen zur Prospekthaftung oder der Vertreterhaftung?

Bei Fragen zu Ihren finanziellen Angelegenheiten kann das Team der Kanzlei Kaufmann Sie durch rechtliche Beratung, Vertragsprüfung, Unterstützung bei Streitigkeiten, Compliance-Überwachung und Steuerberatung helfen, um sicherzustellen, dass Ihre Anlageentscheidung geschützt und im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften stehen.

Schreiben Sie uns gerne eine Mail oder rufen Sie uns in unserer Kanzlei an. Wir helfen Ihnen gerne!

Dieser Artikel ist stark vereinfacht und dient lediglich zu Informationszwecken. Eine individuelle Beratung mit einem Rechtsanwalt ist zu empfehlen! 


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Quellen:

Förster in BeckOK BGB, Hau/Poseck, 67. Edition, Rn. 166:  https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2Fkomm%2FBeckOKBGB_67%2FBGB%2Fcont%2FBECKOKBGB.BGB.P826.glVI.gl10.glA.glAA.htm

https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Prospekte/Wertpapiere/Prospektpflicht/prospektpflicht_node.html

https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/GeldanlageWertpapiere/Anlageberatung/anlageberatung_node.html

https://www.ihk.de/rhein-neckar/wirtschaftsstandort/branchen/dienstleistungen/berater-vermittler/finanzanlagenvermittler/pflichten-in-der-finanzanlagenvermittlerverordnung-945240

Foto(s): Foto von Kindel Media von Pexels


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