Prozesserfolg für EC-Kartennutzer: „Anscheinsbeweis“ gilt nur bedingt

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Die Verfassungsbeschwerde einer Bankkundin, deren EC-Karte entwendet und anschließend unberechtigt durch Dritte eingesetzt worden war, hatte vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Erfolg (Beschluss vom 13.04.2012 – VfGBbg 43/11). Die zuvor zulasten der Bankkundin ergangenen Urteile wurden aufgehoben und müssen neu verhandelt und entschieden werden. Der Verfassungsgerichtshof des Landes Brandenburg mahnte bei den Vorinstanzen (Amtsgericht Potsdam und Landgericht Potsdam) an, dass die Gerichte den Beweis nicht richtig erhoben und Beweisanträge im Zivilprozess zur Widerlegung des sogenannten Anscheinsbeweises nicht berücksichtigt hätten. Dies habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Sache musste daher an die Vorinstanzen zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen werden.

Gliederung

  • Das Entwenden der EC-Karte
  • Der Rechtsweg durch die Instanzen
  • Die Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg
  • Fazit

Das Entwenden der EC-Karte

Ursache des Rechtsstreits zwischen der Bankkundin und der Bank war ein Diebstahl der EC-Karte. Weil sie sich ein Bad im See gönnen wollte, hatte die Bankkundin ihr Fahrzeug mitsamt Handtasche und der sich darin befindlichen EC-Karte auf einem Parkplatz in Michendorf abgestellt. Diebe brachen den Wagen auf, entwendeten die Handtasche und nahmen am frühen Abend an einem Geldautomaten in Potsdam Bornstedt fünf Abhebungen über je 200,- EUR vor. Die Bank buchte der Frau den Gesamtbetrag inklusive Gebühren in Höhe von 1.029,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 13,24 % wegen angeblicher Inanspruchnahme eines Dispositionskredits ab. Die Bankkundin jedoch war der Ansicht, dass sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Jedenfalls habe sie die Geldautomatenabhebung nicht vorgenommen. Die Bank warf der Kundin „ins Blaue“ hinein vor, sie sei mit der zur Zahlungskarte gehörenden PIN unsorgfältig umgegangen. Außerdem wertete die Bank die Aufbewahrung der EC- Karte im Wagen als grob fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten nach den vereinbarten Bedingungen für die Aufbewahrung einer girocard-Maestro Card. Die Bankkundin war – was die Aufbewahrung der Karte und PIN anging – gegenteiliger Meinung. Sie hatte die PIN, so ihre Darlegung, weder auf der Zahlungskarte noch in dessen räumlicher Nähe notiert.

Der Rechtsweg durch die Instanzen

Die Bankkundin nahm die Bank vor dem Amtsgericht Potsdam auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchungen in Anspruch. Das Amtsgericht Potsdam wies die Klage jedoch als unbegründet ab (Az. 22 C 202/10). Die Betroffene habe keinen Anspruch gegen die Bank auf Schadlosstellung aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Girovertrag. Zudem sah das Gericht einen zugunsten der kontoführenden Bank greifenden Anscheinsbeweis. Demnach könne man pauschal unterstellen, dass die PIN auf der Karte notiert gewesen oder zusammen mit der PIN aufbewahrt worden sei. Die Bankkundin habe diese pauschale Annahme angeblich nicht durch schlüssige Gegenbeweise erschüttert.

Auch die von der Bankkundin eingelegte Berufung vor dem Landgericht Potsdam, in der sie auf mehrere plausible, alternative Geschehensabläufe, wie z. B. das vorherige Ausspionieren der EC- Karte oder die nicht überbrückbare zeitliche und räumliche Distanz zum Geldautomaten, hinwies, hatte keinen Erfolg (Landgericht Potsdam, Urt. v. 06.07.2011 – 8 S 3/11). Der Anscheinsbeweis, wonach das erfolgreiche Abheben von Geld durch Straftäter, die zuvor die Zahlungskarte entwendet haben, überhaupt nur denkbar sei, wenn die Bankkundin die PIN auf der Karte oder in der räumlichen Nähe notiert habe, sei nicht erschüttert. Auch die darauffolgende Anhörungsrüge zu den vorgetragenen Behauptungen hatte keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hob diese Entscheidungen jedoch auf.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hob die Entscheidung des Landgerichts Potsdam wieder auf, da das Gericht das Recht, sich zu allen entscheidungserheblichen Fragen äußern zu können und das Recht auf Berücksichtigung dieser Äußerungen bei der Entscheidungsfindung übergangen habe. Konkret habe das Landgericht Beweisangebote der betroffenen Bankkundin, die gegen die Annahme einer pauschalen Anscheinsbeweises sprechen, unberücksichtigt gelassen. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises hatte die Bankkundin nämlich angeboten, ihren Lebenspartner als Zeugen dafür zu vernehmen, dass dieser am fraglichen Tag mit ihr den Tag verbracht und die Karte gesehen habe. Deshalb könne der Zeuge eine Aussage darüber treffen, dass die PIN nicht auf der Karte notiert gewesen sei. Diesen Beweisantritt hätte das Landgericht nicht übergehen dürfen, so das Verfassungsgericht. Zudem hatte die Bankkundin in Bezug auf ihre Merkfähigkeit einer PIN die PIN von drei weiteren EC- Karten vorgetragen und die Tatsache angeboten, dass in einer Vielzahl von Fällen in Potsdam und Umgebung arbeitsteilig EC-Karten aus Autos im fraglichen Zeitraum gestohlen worden seien, nachdem eine andere Bande die Geheimnummer ausgespäht habe.

Fazit

Wird mit einer entwendeten EC-Karte Geld abgehoben, ohne das der Bankkunde die PIN auf seiner Karte notiert hat, wird meist anstandslos reguliert. Einige wenige Banken vertreten pauschal den Standpunkt, der Karteninhaber habe unvorsichtigerweise die Karte mit der zugehörigen PIN zusammen aufbewahrt und verweigern die Auszahlung. Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch durch schlüssige Beweisanträge erschüttert werden. Eine professionelle Rechtsberatung- und Vertretung ist in diesem Fall von Nutzen. Setzen sich die Gerichte mit den vorgetragenen Beweisanträgen schon bereits nicht auseinander oder nehmen sie diese nicht zur Kenntnis, verletzt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör und kann von einem Bankkunden erfolgreich gerügt werden.

Rechtsanwalt Ulrich Schulte am Hülse

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht


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