Prüfen und rechnen Sie, aber üben Sie den Widerruf bis spätestens zum 21.06.2016 aus!

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Dieser Aufsatz behandelt zwei Themen: Warum die Belehrungen zum Widerruf von Darlehen häufig falsch sind. Und: Warum Sie rechnen sollten:

1. Warum die Belehrungen zum Widerruf von Darlehen häufig falsch sind:

Der Gesetzgeber hat ab dem Kalenderjahr 2002 die Banken verpflichtet, bei der Vergabe von Verbraucherdarlehen diese über das Widerrufsrecht zu unterrichten. Um die Banken zu unterstützen, wurde per Verordnung eine Musterbelehrung zum Abschreiben zu Verfügung gestellt. Wurde das Muster abgeschrieben, können sich die Banken auf die gesetzliche Fiktion der Richtigkeit berufen. Fast alle Banken haben aber die Belehrungen nicht unverändert übernommen. Dieser Umstand wurde und wird von Verbraucherschutzzentralen, Wirtschaftsfachleuten und Rechtsanwälten erkannt, die empfehlen, im Einzelfall das Widerrufsrecht auszuüben. Und dies, damit eine vorzeitige Ablösung der Darlehen vor Ende der Zinsbindungsfrist die Möglichkeit bietet, Niedrigzinsen in der Gegenwart für die restliche Zeit der Finanzierung zu nutzen. Damit kann im Einzelfall eine weniger hohe wirtschaftliche Belastung erreicht werden. Dabei ist im Rahmen der rechtlichen Prüfung auf Folgendes zu achten:

Der Bundesgerichtshof verlangt keine ausnahmslose und hundertprozentige deckungsgleiche Identität der jew. verwandten Widerrufsbelehrung zur amtlichen Mustervorlage (Urteil vom 18.03.2014, Az. II ZR 109/13). Der Bundesgerichtshof hat aber festgelegt, dass die Widerrufsbelehrung keine anderen Belehrungen enthalten darf, etwa keine Zusätze oder Änderungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken (BGH, Urteil vom 09.11.2011, I ZR 123/10).

Maßstab ist dabei, dass der mit dem Widerrufszweck bezweckte Schutz des Verbrauchers eine umfassende, unmissverständliche und eindeutige Belehrung erfordert (BGH-Urteil vom 13.01.2009, Az. XI ZR 509/07, zit. nach juris Rz. 12: Urteil vom 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08, zit. nach juris Rz. 14). Veränderungen oder Abweichungen hinsichtlich des Mustertextes sind nur dann schädlich im Hinblick auf die Gesetzlichkeitsfiktion, wenn es sich hierbei um sachliche sowie inhaltliche Abweichungen handelt (BGH, Beschluss vom 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, Az. II ZR 109/13 = WM 2014, 887, 889, Rnl8 m. w. N.). Erst dann ist eine Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV nicht möglich.

Diese Anforderungen sind streng. Dies, weil nach richtiger Ansicht die von der Bank verwandte Widerrufsbelehrung jedenfalls keine Inhalte besitzen darf, die nicht hinein gehören, also den Verbraucher ablenken oder irritieren können, also nicht dem gesetzlichen Zweck der gebotenen klaren und eindeutigen Unterrichtung dienen.

2. Warum Sie rechnen sollten:

Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Während etwa das OLG Bamberg Widerrufsbelehrungen von Sparkassen, welche Klammerzusätze enthalten, für unschädlich erachtet – wie sie die Sparkassen häufig in Verträgen ab 2007 verwandten –, OLG Bamberg mit Beschluss v. 01.06.2015 – 6 U 13/15 (womit u.E. aber die Entscheidung des BGH, Urteil vom 18. März 2014, II ZR 109/13, Rn.15, schlichtweg unzulässig übergangen wird), finden sich Entscheidungen des OLG München, die genau das Gegenteil vertreten. Um diese Widerrufsbelehrung ging es:

„Widerrufsbelehrung zu Darlehen Nr. ...

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).“

Das führte das OLG München am 04.04.2016 in einem Hinweisbeschluss (Az.: 5 U 464/16) zur Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung eindrucksvoll aus:

Die Widerrufsbelehrung entspricht bekanntermaßen den 2007 gültigen gesetzlichen Vorgaben nicht („... frühestens“). Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 14 InfoVO aF berufen, weil die erteilte Widerrufsbelehrung dem Muster Anlage 2 in der bis 31.3.2008 gültigen Fassung nicht entspricht, wie schon der Abgleich des Absatzes über finanzierte Geschäfte mit den dortigen Vorgaben ergibt. Satz 2 wurde nicht ersetzt, sondern eine „Doppelbelehrung“ vorgenommen, wie das Landgericht in den Urteilsgründen S.9 zutreffend ausführt. Der Ausführungen in der Berufungsbegründung S.5/6 belegen im Übrigen eindrucksvoll, dass die Beklagte das vorgegebene Muster einer eigenen Bearbeitung unterzogen hat.

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs.1 und 3 BGB-lnfoV aF grundsätzlich nur dann ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht“, BGH, Urteil vom 18. März 2014, II ZR 109/13, Rn.15 mwN. Insofern veranlasst der Verweis der Beklagten auf die Urteile des OLG Düsseldorf (v. 12.6.2015, I-22 U 17/15) und des OLG Hamburg (v. 3.7.2015, 13 U 26/15) weder die mündliche Verhandlung wegen Grundsatzbedeutung noch gar die Revisionszulassung (BGH, Beschl. v. 17.1.2012, XI ZR 254/10 Rn.9). Im Übrigen übersieht der Verweis auf das Urteil des 19.Senats vom 9.11.2015, 19 U 4833/14, dass sich dort die Frage nach der Gesetzlichkeitsvermutung nicht gestellt hat (nachzulesen in Rn.28 – Juris).

Damit dürften die Bamberger Kläger, soweit sie sich an den Bundesgerichtshof gewandt haben, spätestens in dritter Instanz obsiegen.

MJH Rechtsanwälte, Martin J. Haas meint:

Es muss ja nicht immer ein Rechtstreit sein, der bis zum Bundesgerichtshof geht. Viele Banken, nutzen den Widerruf, um kostengünstigere Folgefinanzierungen den eigenen Darlehensnehmern anzubieten. Wer rechnen kann, wird nämlich feststellen, dass Folgefinanzierungen bei der gleichen Bank nach Ausübung eines Widerrufsrechtes der Bank zwar nicht in Bezug auf das widerrufene Darlehensvertragsverhältnis den erhofften Gewinn ermöglichen. Da aber auch z.B. in einer Folgefinanzierung die z.B. mit 2,2 % statt 4,8 % (widerrufener Vertrag) angeboten wird, ist durch geschickte Refinanzierung der Bank heute eine wesentlich höhere Gewinnspanne ermöglicht, als wenn der Kunde insgesamt abwandert!

(Also für Darlehensnehmer und Bank ein gutes Geschäft!)

Kostenfreie Ersteinschätzung in Ihrem Fall? Senden Sie Ihre Darlehensverträge nebst Widerrufsbelehrungen einfach an unsere E-Mail-Adresse.

Wir erstellen Ihnen dann ein Angebot, soweit u.E. ausreichende Erfolgsaussichten besehen. Hieraus können Sie auch das Kostenrisiko entnehmen. Häufig kann im Rahmen einer außergerichtlichen Lösung ein gutes Ergebnis erstritten werden.


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