Rechtsschutzversicherung: Landgericht verurteilt zur Deckungszusage

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Mit Urteil vom 21.03.2018 hat das Landgericht Dortmund eine Münchener Rechtsschutzversicherung verurteilt, meinem Mandanten für seine mitversicherte Ehefrau Deckungszusage für ein Berufungsverfahren zu erteilen.

Der Mediziner unterhält eine Rechtsschutzversicherung für Nichtselbstständige nach § 26 ARB. Es galten die ARB-RU 2007 VVG, Stand Oktober 2009. Schadensabwicklungsunternehmen des Rechtsschutzversicherers war die Beklagte. Die Ehefrau des Mandanten erlitt im März 2011 einen körperlichen Zusammenbruch mit Ohnmacht und starken Kopfschmerzen und wurde zunächst von einem Notarzt behandelt. Wegen dieser fehlerhaften Behandlung erhob die Ehefrau eine Klage gegen die Stadt als Träger des Rettungsdienstes, für welche die Rechtsschutzversicherung Deckungszusage erteilte. Während des Prozesses verkündete die Ehefrau einem Medizinischen Versorgungszentrum den Streit. Nach Beitritt der Streitverkündeten aufseiten der Ehefrau richtete diese ihre Klage auch gegen das MVZ. Mit Grund- und Teilurteil des Landgerichtes Dortmund vom 01.12.2017 wurde die Klage gegen die Stadt abgewiesen, obwohl auch gegenüber dem verantwortlichen Notarzt mehrfache grobe Behandlungsfehler festgestellt wurden. Gegen das MVZ wurde der Klage dem Grunde nach stattgegeben.

Die Rechtsschutzversicherung lehnte am 27.01.2017 die Deckung für die beabsichtigte Berufung gegen die Stadt ab und verwies auf die Möglichkeit eines Stichentscheides. Für das Berufungsverfahren bestünde keine hinreichende Erfolgsaussicht. Am 09.02.2017 habe ich den Stichentscheid gegenüber der Versicherung abgegeben und ausgeführt, das Landgericht habe die Subsidiaritätsklausel nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB fehlerhaft ausgelegt. Diese greife nur, wenn sie ihre Grundlage in demselben Tatsachenkreis fände, aus dem der eingeklagte Anspruch entstanden sei. Es sei völlig offen, ob tatsächlich ein grober Diagnosefehler und damit überhaupt eine Haftung des MVZ vorliege. Die Rechtsschutzversicherung lehnte mit Schreiben vom 07.04.2017 die Deckungszusage erneut ab. Der Stichentscheid entfalte keine Bindungswirkung, er sei unzureichend.

Das Landgericht hat entschieden: Der Mandant habe aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag in Verbindung mit §§ 125, 126 VVG einen Anspruch auf Deckung für das Berufungsverfahren gegen die Stadt zu. Der Rechtsschutzfall sei unstreitig in versicherter Zeit eingetreten. Die Ehefrau sei nach § 26 Abs. 1 ARB mitversichert. Nach §§ 1, 2a ARB seien der Schadensersatzrechtsschutz bzw. nach § 2d ARB Vertragsrechtsschutz versicherte Art der Rechtsschutzdeckung. Die Ablehnung der Deckung für das Berufungsverfahren habe nach § 18 Abs. 1b ARB nicht erfolgen dürfen, weil das Berufungsverfahren hinreichend Erfolg versprechend sei. In Rechtsprechung und Literatur sei nicht eindeutig geklärt, wie der Tatsachenkreis zu bestimmen sei, der als anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB den Amtshaftungsanspruch entfallen lassen könne. Grundsätzlich setze eine anderweitige Ersatzmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis eine Möglichkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art erwirkt, sich schadlos zu halten. Dabei muss die Ersatzmöglichkeit ihre Grundlage in demselben Tatsachenkreis finden, der für das Entstehen des Amtshaftungsanspruches maßgebend ist (BGHZ, 31, 148, (150); Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 839, Rdn. 58).

Der Unterzeichner habe bereits im Stichentscheid ausgeführt, dass sich die Haftung des Beklagten zu 1) nicht aus demselben Tatsachenkreis ergebe. Denn die Haftung der Beklagten zu 2) folge nach dem Urteil aus einer fehlerhaften Befundung einer Kopf-CT, während sich die Haftung der Beklagten zu 1) aus der notärztlichen Tätigkeit beim Rettungseinsatz neun Tage später begründe. Allein aus diesem Gesichtspunkt erscheine die Berufung hinreichend Erfolg versprechend.

Es sei dem Kläger nicht zumutbar, das klageabweisende Urteil rechtskräftig werden zu lassen. Er müsste nach Abschluss des Rechtsstreites ansonsten einen weiteren Rechtsstreit gegen die Stadt mit ungewissem Ausgang führen. Der Kläger müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass nach der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 1973, 443; BGHZ 37, 375) die Klage so zu verstehen sei, dass sie als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen worden sei. Der Stichentscheid sei für die Rechtsschutzversicherung bindend. Er weiche nicht von der Sach- und Rechtslage offenbar ab. Ein Stichentscheid sei grundsätzlich bindend, es sei denn, er sei offenbar unrichtig (OLG Hamm VersR 2012, 563; VersR 2005, 1280). Im Stichentscheid müsse der entscheidungserhebliche Streitstoff dargelegt werden. Ferner seien die rechtlichen Probleme unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre darzustellen. Auch müsse eine Auseinandersetzung mit dem Prozessrisiko erfolgen. Das sei sämtlich durch den Unterzeichner geschehen. Dem Kläger stünden auch die Kosten für das Fertigen des Stichentscheides zu.

Landgericht Dortmund, Urteil vom 21.03.2018, AZ: 2 O 304/17

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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