Resturlaub ins neue Jahr übertragen: Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Usebach klärt weitverbreitete Missverständnisse auf

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Viele Arbeitnehmer glauben, dass nicht genommener Urlaub automatisch am Jahresende verfällt – doch das stimmt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. klärt auf, warum Resturlaub häufig länger bestehen bleibt, welche Pflichten Arbeitgeber haben und welche Rechte Arbeitnehmer geltend machen können.


Urlaub als gesetzlicher Anspruch – und warum er nicht immer vollständig genommen wird

Die gesetzlichen Grundlagen rund um den Urlaubsanspruch finden sich im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). In § 1 des Gesetzes heißt es unmissverständlich: „Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.“ Der Zweck des Erholungsurlaubs besteht darin, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und ihnen eine regelmäßige Auszeit vom Berufsalltag zu ermöglichen.

In der Praxis schaffen es jedoch viele Arbeitnehmer nicht, ihren vollständigen Jahresurlaub rechtzeitig zu nehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Hohe Arbeitsbelastung, dringende betriebliche Erfordernisse, Krankheitsausfälle oder auch persönliche Umstände wie familiäre Verpflichtungen oder private Planänderungen führen dazu, dass Urlaubstage „übrig“ bleiben. Es entsteht Resturlaub, also nicht genommener Erholungsurlaub aus dem aktuellen Kalenderjahr.


Verfällt der Urlaub automatisch? – Ein weitverbreiteter Irrglaube

Weit verbreitet ist die Annahme, dass dieser Resturlaub automatisch zum 31. Dezember verfällt, wenn er bis dahin nicht genommen wurde. Doch das ist nur dann korrekt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind – insbesondere durch den Arbeitgeber.

Die Regelung zum automatischen Verfall gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber seiner sogenannten Mitwirkungsobliegenheit nachkommt. Das bedeutet: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Mitarbeiter rechtzeitig, klar und verständlich darüber zu informieren,

  • wie viele Urlaubstage ihnen noch zustehen,

  • bis wann diese genommen werden müssen und

  • dass die Urlaubstage bei Nichtinanspruchnahme verfallen können.

Nur wenn diese Hinweise nachweislich und rechtzeitig erfolgen, darf der Urlaub tatsächlich am Jahresende oder spätestens bis zum 31. März des Folgejahres verfallen. Bleibt die Mitwirkungspflicht unerfüllt, kann der Urlaub über Jahre hinweg bestehen bleiben.


Rechtsprechung des EuGH und BAG stärkt Arbeitnehmerrechte deutlich

Die juristische Grundlage für diese Einschätzung basiert auf mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Besonders wegweisend waren die EuGH-Urteile vom 6. November 2018 (Az. C-619/16 und C-684/16) sowie das BAG-Urteil vom 19. Februar 2019 (Az. 9 AZR 541/15).

Diese Urteile führten zu einer grundlegenden Änderung der bisherigen Rechtsauffassung. Bis dahin galt, dass Urlaubsansprüche spätestens drei Jahre nach Ablauf des Urlaubsjahres verjährten. Nach der neuen Rechtslage gilt: Eine Verjährung tritt nur ein, wenn der Arbeitgeber zuvor ordnungsgemäß auf den Urlaubsanspruch und dessen möglichen Verfall hingewiesen hat. Andernfalls kann der Anspruch – theoretisch – unbegrenzt fortbestehen.

Diese Rechtsprechung schützt Arbeitnehmer davor, durch mangelnde Information oder Versäumnisse des Arbeitgebers ihren gesetzlichen Urlaub zu verlieren. Gleichzeitig erhöht sie den Druck auf Arbeitgeber, ihre Informationspflichten gewissenhaft zu erfüllen.


Übertragung ins Folgejahr: In welchen Fällen das möglich ist

Auch wenn keine Pflicht zur Übertragung besteht, sehen viele Arbeits- oder Tarifverträge vor, dass nicht genommener Urlaub unter bestimmten Voraussetzungen ins nächste Kalenderjahr übertragen werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht innerhalb des laufenden Jahres nehmen konnte.

Allerdings ist diese Übertragung in der Regel an eine Frist gebunden: Der übertragene Urlaub muss in den meisten Fällen bis spätestens 31. März des Folgejahres genommen werden. Danach verfällt auch dieser Anspruch – es sei denn, es liegen besondere Ausnahmefälle vor.


Ausnahmen: Wann Resturlaub auch nach dem 31. März erhalten bleibt

Es gibt jedoch bestimmte Sonderkonstellationen, in denen Urlaubsansprüche länger bestehen bleiben, auch über den 31. März hinaus:

  1. Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers
    Arbeitnehmer, die über einen längeren Zeitraum krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, haben oft keine Möglichkeit, ihren Urlaub innerhalb des vorgesehenen Zeitraums zu nehmen. In diesen Fällen greift eine Sonderregelung:
    Der Urlaubsanspruch bleibt bis zu 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bestehen – also beispielsweise bis zum 31. März des übernächsten Jahres. Voraussetzung ist, dass die Arbeitsunfähigkeit während dieses gesamten Zeitraums andauerte.
    Diese Regel soll einerseits sicherstellen, dass langzeiterkrankte Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden, andererseits soll sie auch Arbeitgeber davor schützen, dass sich Urlaubsansprüche über Jahre hinweg unbegrenzt ansammeln.

  2. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
    Wird das Arbeitsverhältnis beendet – sei es durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Renteneintritt – und verbleibt ein nicht genommener Urlaubsanspruch, muss dieser finanziell abgegolten werden. In diesem Fall spricht man von Urlaubsabgeltung.
    Auch bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Kalenderjahres besteht Anspruch auf den anteiligen Jahresurlaub. Dabei wird jedoch der bereits beim vorherigen Arbeitgeber genommene Urlaub entsprechend angerechnet.


Pflichten der Arbeitgeber – Verantwortung nicht auf Arbeitnehmer abwälzen

Die zentrale Verantwortung liegt bei den Arbeitgebern. Sie müssen aktiv dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten über ihre Urlaubsansprüche informiert sind – nicht nur durch allgemeine Hinweise im Intranet oder im Arbeitsvertrag, sondern individuell, konkret und nachweislich nachvollziehbar.
Ein Verstoß gegen diese Mitwirkungspflicht kann dazu führen, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht verfällt – und von Arbeitnehmern auch rückwirkend noch eingefordert werden kann.


Was Arbeitnehmer tun sollten: Rechte kennen und durchsetzen

Für Arbeitnehmer bedeutet das: Nicht einfach davon ausgehen, dass Resturlaub verfallen ist. Wer sich unsicher ist, sollte seine Urlaubstage regelmäßig prüfen – am besten mithilfe einer Übersicht aus dem HR-System oder durch Nachfrage in der Personalabteilung.

Wichtig ist auch, nachzuvollziehen, ob und wann der Arbeitgeber über offene Urlaubstage und deren Verfall informiert hat. Falls diese Information unterblieben oder unklar war, könnte ein Anspruch auf den Urlaub weiterhin bestehen – auch wenn das betreffende Kalenderjahr bereits lange zurückliegt.


Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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