Restwert aus dem Schadensgutachten verbindlich? Neues Problem auch für Autohäuser!

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Bislang und auch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darf sich der Geschädigte auf sein Schadensgutachten verlassen und im Falle des Totalschadens sein Fahrzeug zum Restwert aus dem Schadensgutachten verkaufen. Auch muss der Geschädigte nach der gefestigten Rechtsprechung kein besseres Angebot der Schädigerversicherung für das Unfallfahrzeug abwarten. Hat der Geschädigte sein Fahrzeug zum gutachtlichen Restwert veräußert (hierauf durfte er ja vertrauen) und der Schädigerversicherer kommt mit seinem höheren Restwertangebot zu spät, nämlich erst nach Verkauf, dann hat dieser schlicht Pech gehabt. Der Schaden ist nach dem Unfallgutachten abzuwickeln.

Grundsätzlich ist das zwar immer noch so, aber jetzt hat das AG Miesbach entschieden, dass dann ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht besteht, wenn er das Fahrzeug an das Autohaus zum Restwert im Schadensgutachten verkauft und der Sachverständige ihm vom Autohaus vermittelt wurde. In diesem Falle kam noch dazu, dass das Autohaus ebenfalls ein Restwertangebot vorgelegt hat, welches im Schadensgutachten ebenfalls eingepflegt wurde. Das LG München als Berufungsgericht hat diese Ansicht des AG Miesbach vollumfänglich in seinem Urteil v. 16.08.17 (LG München – 8 S 2704/17) bestätigt.

Wesentliche Begründung:

Der Geschädigte verstößt schon dann gegen seine Schadensminderungspflicht gem. § 254 II BGB, wenn er auf ein Gutachten vertraut, das nicht frei von dem Verdacht unsachlicher Interessenwahrnehmung ist. Dieser Verdacht muss sich dem Geschädigten aufgrund konkreter Umstände aufdrängen.

Diese Umstände werden wie folgt aufgeführt:

  • Vermittlung des Sachverständigen durch das Autohaus
  • Autohaus überbietet 2 andere Händler lediglich geringfügig
  • der Sachverständige berücksichtigt das Autohausangebot bei seiner Restwertermittlung
  • das Autohaus kauft das Unfallfahrzeug zu diesem Restwert auf und verkauft dem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug
  • es besteht eine dichte zeitliche Abfolge der Geschehnisse

Es ist also Vorsicht geboten bei dieser recht versicherungsfreundlichen Entscheidung! Im Regelfall wird nach einem Verkehrsunfall das Fahrzeug zum Autohaus oder die Reparaturwerkstatt verbracht und diese weist zu Recht darauf hin, dass im Regelfall ein objektiver Schadenssachverständiger ein Schadensgutachten erstellt. Logischerweise und vor allem infolge fehlender Erfahrung im Bereich der Unfallabwicklung ist der Geschädigte froh, wenn er keinen weiteren Aufwand mit der Suche eines Sachverständigen hat, sondern das Autohaus ihm hier im Rahmen der dortigen Serviceleistung behilflich ist.

Nebenbei, auch die Rechtsanwälte im Bereich der Unfallabwicklung empfehlen Schadenssachverständige!

Diese Entscheidung des LG München kann nur so verstanden werden und dann gelten, wenn zugrunde gelegt wird, dass Autohaus/Reparaturwerkstätte und Sachverständiger auf eine Weise zusammenarbeiten, aufgrund derer dem Schädigerversicherer ein Schaden entsteht. Darum werden auch die Kriterien aufgezählt, woraus sich dieser Verdacht ergibt.

Das Autohaus/Reparaturwerkstätte wäre also gut beraten, in Zukunft dem Geschädigten einen Unfallsachverständigen zu empfehlen und der Geschädigte, diesem selbst den Gutachterauftrag zu erteilen (nicht das Autohaus). Das Autohaus/Werkstatt sollte sich dringlichst aus der Restwertermittlung heraushalten und kein eigenes Angebot unterbreiten, welches der Sachverständige in sein Gutachten zur Restwertermittlung aufnimmt. Das Autohaus kann das Fahrzeug dann ja immer noch zum höchsten Restwertangebot aus dem Gutachten aufkaufen. Und letztlich scheint der Umstand nicht einfach zu klären sein, wenn, wie üblich, das Autohaus das Unfallfahrzeug zum gutachterlichen Restwert aufkauft und zeitgleich dem Geschädigten ein anderweitiges Fahrzeug veräußert. Dies alleine kann jedoch kein Verdachtsmoment bedeuten, da dies die übliche Praxis darstellt. Vor allem erwartet der Geschädigte ja gerade von seinem Autohaus, dass dieses ihm ein Angebot für ein Ersatzfahrzeug unterbreitet. Entscheidend dürfte hier wie immer der Einzelfall sein und vor allem, in welcher Höhe das Autohaus durch eine solche Verfahrensweise bereichert ist. Aber immer ist hierbei zu berücksichtigen, dass das Autohaus zu Recht auch an diesem Unfall „verdienen“ muss. Auch ein Anwalt verdient an einer Unfallabwicklung. Nur dann, wenn durch eine bestimmte Abwicklungsweise ein Gewinn „optimiert“ wird, welcher in anderer Abwicklungsweise nicht eingetreten wäre, ist Vorsicht geboten!

Bevor jedoch Sie sich bei einer Unfallabwicklung mit derartigen Problemen herumschlagen müssen, nutzen Sie unseren besonderen Service der kostenfreien telefonischen Kurzauskunft.

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Ihre NJR Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Neuner-Jehle Stuttgart


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