Scharia-Gericht sperrt deutsches Scheidungsverfahren

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Ein Ehescheidungsverfahren kann nicht zugleich vor einem deutschen Familiengericht und einem libanesischen Scharia-Gericht abgehalten werden. Für das deutsche Verfahren besteht insoweit das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit. Es muss bis zum Abschluss des libanesischen Verfahrens ausgesetzt werden. 

Libanesische Ehe vor deutschem Familiengericht 

Die Richter am Oberlandesgericht in Hamm hatten über die Zulässigkeit eines Scheidungsverfahrens in Deutschland zu entscheiden.

Die 24-jährige Frau und der 28-jährige Mann hatten 2009 ihre Ehe vor einem sunnitischen Scharia-Gericht im Libanon geschlossen. In der Folgezeit lebte das Ehepaar in Deutschland und brachte hier eine Tochter zur Welt. Im Juli 2014 kam dann die Trennung. Zunächst stellte die Ehefrau im Frühjahr 2015 einen Scheidungsantrag bei dem zuständigen libanesischen Scharia-Gericht und zusätzlich im September 2015 einen weiteren Antrag vor einem deutschen Familiengericht. Mit Zustellung des Scheidungsantrags an den Ehemann wurde im Dezember 2015 – zusätzlich zu dem bereits angelaufenen Verfahren im Libanon – ein Scheidungsverfahren in Deutschland eingeleitet. 

Doppeltes Scheidungsverfahren nicht zulässig 

Allerdings teilte der Ehemann, in Bezug auf die Notwendigkeit einer Scheidung, nicht die Ansichten seiner noch-Ehefrau. Er wies den deutschen Scheidungsantrag mit der Begründung zurück, er sei im Libanon zu einer ungerechtfertigten Zahlung einer Abendgabe verklagt worden. Die Ehefrau hatte nämlich, noch bevor das deutsche Scheidungsverfahren lief, beim libanesischen Gericht die Ehescheidung wegen nachgewiesenen Verschuldens des Ehemanns beantragt und gleichzeitig die Leistung einer Abendgabe verlangt.

Bei der Abendgabe handelt es sich meist um Geld, Schmuck oder Gold, welches von dem Ehemann an die Ehefrau entrichtet wird. Anders als die Morgengabe, die bereit bei der Hochzeit von dem Ehemann gezahlt wird, tritt die Zahlung der Abendgabe erst im Scheidungsfall ein. Hauptsächlich soll sie der Absicherung der Frau im Scheidungsfall dienen.

Bei der Anhörung in der ersten Instanz in Deutschland hatte die Ehefrau auch wahrheitsgemäß angegeben, dass ein Verfahren, wegen der Scheidung und Zahlung der Abendgabe, vor dem libanesischen Scharia-Gericht noch laufe. Das deutsche Familiengericht sprach in erster Instanz die beantragte Scheidung der Eheleute aus und leitete die Durchführung eines Versogungsausgleichsverfahren ein. Dagegen legte der Ehemann durch seinen Scheidungsanwalt Beschwerde ein. 

Doppelte Rechtshängigkeit stellt Verfahrenshindernis dar 

Das Oberlandesgericht hatte nun über diese Beschwerde des Ehemanns zu entscheiden.

Die Richter stellten dabei fest, dass dem deutschen Verfahren ein Verfahrenshindernis entgegenstehe. Die Ehefrau sei bei der mündlichen Anhörung vor dem deutschen Familiengericht aus prozessualen Gründen daran gehindert gewesen, einen zulässigen und wirksamen Scheidungsantrag zu stellen.

Im vorliegenden Fall sei das deutsche Verfahren aufgrund des zeitlich vorgelagerten Verfahrens vor dem Scharia-Gericht gehemmt (Hindernis der doppelten Rechtshängigkeit).

In der Folge entschieden die Richter das anhängige Verfahren auszusetzen und erst nach Abschluss des Verfahrens im Libanon wieder aufzunehmen. 

Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei Scheidungsverfahren 

Aufgrund der hohen Mobilität der Bürger und der zunehmenden Zahl von binationalen Ehen stellt sich in diesem Zusammenhang häufig die Frage der Zuständigkeit von deutschen Gerichten bei Scheidungsfällen.

Grundsätzlich sind unproblematisch die deutschen Gerichte dann zuständig, wenn beide Eheleuten in Deutschland leben. Für diesen Fall ist es dann auch nicht bedeutsam, wo oder nach welchem Recht die Ehe ursprünglich geschlossen wurde. Primärer Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Anwendung des nationalen Rechts ist dann der gewöhnliche Aufenthaltsort der Eheleute und nicht etwa die Staatsangehörigkeit. 

Lebt einer der Ehegatten oder beide nicht in Deutschland, ist die Zuständigkeit der deutschen Gerichte dagegen weniger eindeutig. Sie kann dennoch vorliegen, wenn einer der Eheleute die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder das Ehepaar ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Allerdings sind diesen Regelungen stets individualvertragliche Abreden der Eheleute vorbehalten. So kann auch vereinbart werden, dass es im Fall einer Scheidung zur Anwendung jeden beliebigen anderen Rechts kommt. 

Wie bereits der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2010 feststellte, können auch die Vorschriften eines religiösen Rechts wie die Scharia vor deutschen Gerichten anzuwenden sein. Die deutschen Richter und Scheidungsanwälte sind daher in solchen Fällen angehalten auch völlig unbekanntes Familienrecht anzuwenden. 

Weitere Informationen zum Recht der Scheidung finden Sie hier:

https://www.rosepartner.de/familienrecht/scheidung-scheidungsanwalt.html


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