Scheinehe contra Schutzehe

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Wer verstärkt auf dem Gebiet des Migrationsrechts tätig ist, wie die Anwaltskanzlei Petrowitz von Seyfried, wird feststellen, dass verstärkt Standesämter und auch Ausländerbehörden einschließlich der beteiligten Botschaften dazu übergehen, Zweifel an einer rechtsgültigen Ehe und dem Ehebindungswillen durch getrennte Befragung der Eheleute auszuräumen.

Allerdings wird in der soweit überblickten publizierten Literatur und Rechtsprechung eher nur stiefmütterlich das Problem behandelt, a) wie mit der widerstreitenden Beantwortung der Fragenkomplexe umzugehen ist oder – was bisher überhaupt nicht erörtert ist – b) was bei verweigerter Beantwortung der inquisitorischen Fragenkomplexe geschieht.

Ausgangspunkt ist die Visaerteilung durch Familiennachzug gemäß §§ 27, 28 des Aufenthaltsgesetzes.

Im Rahmen der §§ 27 und 28 des Aufenthaltsgesetzes ist grundsätzlich der Antragsteller auf Visumverteilung zum Familiennachzug beweisbelastet dafür, dass er auch beabsichtige, eine Ehe tatsächlich zu leben. Wie allerdings diese Beweislast umzusetzen ist, ist völlig diffus.

Um Zweifel an einer gelebten Ehe auszuräumen, bedienen sich dann die Botschaften und die beteiligten Ausländerbehörden eines umfangreichen Fragekomplexes. Häufig wird der Fragekomplex bewusst nicht mit ausreichendem Zeitvorlauf den Ehepartnern zur Kenntnis gegeben und mit einer Belehrung/einem Merkblatt ausgehändigt. In dem dortigen Merkblatt wird dann auf die Anspruchsgrundlagen des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG und des § 82 Abs. 1 AufenthG hingewiesen, wonach der zu Vernehmende verpflichtet sei, die für ihn günstigen Umstände geltend zu machen und erforderlichenfalls zu belegen.

Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass nicht auszuräumende Zweifel zulasten des Visumbewerbers gingen.

Eine Belehrung über die Freiwilligkeit dieser Angaben fehlt jedoch gänzlich.

Hiernach ist zu fragen, welche Rechtsfolgen eine verweigerte getrennte Befragung hat.

Nach einhelliger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, vordringlich des in Visumssachen allein zuständigen Verwaltungsgerichts Berlin, aber auch anderer Verwaltungsgerichte, kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.

Maßgebend ist daher die Überzeugungsbildung des Gerichts, ob eine Schutzehe oder eine Scheinehe vorliegt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Hieraus kann abgeleitet werden, dass es auf die Beantwortung der Fragenkomplexe nicht ankommt, insbesondere auch nicht deren häufig identitätsanzweifelnde und ins Intime gehende Befragung.

So messen Verwaltungsgerichte dem Fragenkomplex eher nur untergeordnete Bedeutung bei oder jedenfalls nur als Hilfserwägung für die Subsumtion, ob eine Schutzehe oder eine Scheinehe vorliege.

Da eine gesetzliche Normierung fehlt, wie bei verweigerter Beantwortung der Fragenkomplexe umzugehen ist, ist bei Einzelfallprüfung grundsätzlich davon abzuraten, die Fragenkomplexe zu beantworten.

Tatsache ist nämlich, dass nicht nur günstige Tatsachen genannt werden, sondern die Botschaften oder die Ausländerbehörden verstärkt dazu übergehen, sich das für sie Günstige, im Zweifel für die Visumserteilungsablehnung die günstigen Umstände herauszusuchen und dem Antragsteller dann vorzuwerfen.

So werden bspw. große Altersunterschiede, mehrere Ehescheidungen im Vorfeld, oder die Anzahl der Treffen der Ehepartner im Ausland, als Maßstab für den Verdacht einer Scheinehe angenommen.

Auch hier noch nicht abschließend geklärt ist das Wechselverhältnis zwischen dem Verdacht der Scheinehe nach Aufenthaltsrecht (AufenthG) und dem einer rechtswirksamen Ehe nach Personenstandsgesetz (PStG). So verlangt bspw. bei Ablehnung der Eheschließung durch einen deutschen Standesbeamten, dass der Standesbeamte von der Offenkundigkeit einer Scheinehe ausgehen muss, um die Eheschließung zu verweigern (vgl. AG Frankfurt/Main, Beschluss vom 22.02.2005, Az: 49 UR III FEJ 50/01), hingegen nach Aufenthaltsrecht die Überzeugungsbildung, ob Scheinehe oder Schutzehe, durch das Gericht in letzter mündlicher Verhandlung ausgeübt werden muss.

Beide Ehepartner sollten sich daher bewusst sein, dass Ehe und Familie ein hohes schutzwürdiges Gut nach der Grundrechtsordnung des deutschen Grundgesetzes ist und daher nicht jede im Ausland auch formwirksam geschlossene Ehe zugleich unter dem vollen Schutz des Art. 6 GG steht, sondern diese Ehe auch im Bundesgebiet oder im europäischen Rahmen gelebt werden muss.

Resümee:

Da die Fragen im Zusammenhang des Familiennachzuges und/oder der Visum-Erteilung sehr komplex sind, sollte im Vorfeld immer ein auf dem Gebiet des Migrationsrechts spezialisierter Anwalt konsultiert werden, auch wenn dies mit Kosten verbunden ist, die sich aber dann im Nachhinein möglicherweise als Ersparnis erweisen.

gez. von Seyfried

Rechtsanwalt

(31.05.2016)



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