Dieselskandal - EuGH stärkt Rechte
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Dieselskandal
Klagebefugnis gegen Kraftfahrt-Bundesamt
eine kurze Auswertung[1] zur Entscheidung EuGH Rechtssache C-873/19 vom 08.11.2022[2]
Klagebefugnis der Deutsche Umwelthilfe e.V. gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
Der Europäische Gerichtshof wurde nach Artikel 267 AEUV vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht[3] im Wege der Vorlage an den EuGH angerufen um festgestellt zu wissen, ob die Deutsche Umwelthilfe e.V. klagebefugt sei (insbesondere § 42 VwGO)[4] und die Thermofenster bzw. das Update zur Abgasregulierung, mit EG-Typengenehmigung genehmigt, vom KBA zulässig und ausreichend sei.
Im Ergebnis hat der EuGH dem vorlegenden Verwaltungsgericht Schleswig mitgeteilt, dass „… es einer Umweltvereinigung, die nach nationalem Recht zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt ist, nicht verwehrt werden darf, eine Verwaltungsentscheidung mit der eine EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wird, die möglicherweise gegen Artikel 5 Abs.2 der Verordnung Nr. 71/2007 verstößt, vor einem innerstaatlichen Gericht anzufechten.“ [Rd. 81].
Gleiches wird es sicherlich auch für den Einzelnen zu gelten haben, da der EuGH auch ausführte, dass die „Öffentlichkeit“ sowohl auf die Umwelthilfe als auch für den einen oder mehrere natürliche oder juristische Personen zu gelten habe [Rd. 4 f.].
Interessant ist insoweit, das es erst einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO d.Verf.) der Umwelthilfe gegen das Bundesamt bedurfte[5], um eine höchstrichterliche europäisch verbindliche Entscheidung zu erzielen. Hintergrund war nämlich die nahezu einhellig von Verwaltungsgerichten vertretene Ansicht, man könne gegen das Bundesamt nicht klagen[6], da die EG-Typengenehmigung keinen Drittschutz vermittele bzw. nicht [mehr] in subjektive Recht eingreife, da ja ein Update möglich wäre.
Dem hat nunmehr der EuGH eine Absage erteilt.
Nicht ohne Stolz darf daher auch auf die vom Verfasser bereits am 20.09.2018 [vgl. anwalt.de/Petrowitz/Rechtstipp][7] vertretene Ansicht zur möglichen Klagebefugnis gegen das Bundesamt (KBA) verwiesen werden.
Es heißt hierzu bereits 2018:
„Es liegt ein Dreiecksverhältnis[8] vor und analog den Regelungen Bundesrecht-Landesrecht (am Beispiel Bundesamt für Migration einerseits und Ausländerbehörde[9] andererseits - sind auch die Zulassungsstellen an die Bundesamt-Entscheidung gebunden. Man könnte daher durchaus den Bescheid vom Bundesamt als Grundlagenbescheid und die Verfügungen der Zulassungsstellen als Folgebescheid[10] auffassen. Auch unter diesen Aspekten sollte ein Vorgehen gegen Stilllegungsverfügungen oder deren Androhungen geprüft werden.“
Der EuGH hat die EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge als Handlung einer Behörde [Rd. 50] und als Zulassung eines Produkts [Rd. 70] und nicht eines Vorhabens [Rd. 35] eingestuft und daraus resultierend die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs anerkannt.
Der EuGH hat im Rahmen eines obiter dictum[11] auch den Mitgliedsstaaten zuerkannt, dass „…im Rahmen der ihnen überlassenen Gestaltungsspielraums grundsätzlich verfahrensrechtliche Vorschriften über die Voraussetzungen der Einlegung solcher Rechtsbehelfe erlassen können [ …m.w.RS-Nw.]“ [Rd. 63 f.], aber eben nicht, so der EuGH, von vornherein durch Auslegung die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs zu beschneiden wäre.
Das Verwaltungsgericht Schleswig wird daher über das ausgesetzte (§ 94 VwGO) und nunmehr fortzusetzende verwaltungsgerichtliche Verfahren entscheiden müssen. Die EuGH Entscheidung ist seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Ob die drohende millionenfache Stilllegung und Entschädigung kommt[12], muss offen bleiben.
Es wäre aber zu hoffen, dass die zigfachen Klagen [dubia iudicia] gegen Autohäuser und Kraftfahrzeug-Hersteller der Vergangenheit angehören und das Bundesamt [KBA] in die Pflicht genommen wird.
L. Petrowitz
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Kanzlei Petrowitz von Seyfried
[1] nur des formellen Teil`s [ Rd. 1-81 d.E.] zur Klagebefugnis, nicht zum technischen Teil [Rd. 82-95 d.E.] der Abschaltvorrichtung bzw. der Thermofenster betreffend, hier ist auf die weiterführenden Hinweise bei RA Prof. Dr. Remo Klinger [https://www.geulenklinger.com/anwaeltinnen-und-anwaelte/klinger/] oder
Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll [https://www.anwalt.de/rechtstipps/dieselskandal-eugh-mit-sensationsurteil-205885.html] zu verweisen;
[2] Entscheidungsabdruck unter: www.curia.europa.eu
[3] VG Schleswig 20.11.2019 – 3 A 113/18;
[4] Rd.76 f. Entscheidung;
[5] der Widerspruch gegen die EG-Typengenehmigung wurde vom KBA nicht verbeschieden [Rd.29,30]
[6] statt vieler: VG Köln zum Az. 13 K 6684/15
[7] Abgasskandal und Pkw-Stilllegung durch die KfZ-Zulassungsstellen v. 20.09.2018
[8] Bundesamt – Zulassungsstelle – PKW Besitzer;
[9] vgl. OVG Schleswig Holstein, Beschl.v. 24.03.2017 – 4 LA 118/16 Rd. 10;
unter Bezugnahme auf § 42 Abs. 1 AsylG; zit. nach juris;
[10] terminus technicus entlehnt aus dem Steuerrecht, vgl. Klein, AO-Kommentar, Beck-Verlag 2000,
zu § 175 AO Rd. 22 ff.;
[11] nebenbei gesagt;
[12] LTO – Legal Tribune Online, EuGH zur Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe, 08.11.2022 (ww.lto.de)
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