Schengen-Visum abgelehnt - Botschaft stellt Rückkehrbereitschaft in Frage

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Für viele ist es ein böses Erwachen – eigentlich sollen Bekannte oder Verwandte aus dem Ausland als Gäste zu einem ganz normalen touristischen Besuch oder langgeplantem Familientreffen nach Deutschland kommen. Dazu soll bei der Deutschen Botschaft des Heimatlands ein Kurzzeitvisums (einheitliches Schengenvisum bzw. 90-Tage-Visum) beantragt werden. Ein Einlader ist gefunden und auch eine Verpflichtungserklärung wird gegenüber der Ausländerbehörde abgegeben.

Und dennoch wird das Visum abgelehnt - „Mangelnde Rückkehrbereitschaft“ ist häufig die knappe Begründung.


Mangelnde Rückkehrbereitschaft

Hinter der „mangelnden Rückkehrbereitschaft“ steckt eine Vorschrift des maßgeblichen Europäischen Visakodex.

Die Erteilung eines einheitlichen Visums (Art. 2 Nr. 3, Art. 24 Visakodex) kommt nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. b Visakodex nämlich nicht in Betracht, wenn begründete Zweifel an der Absicht des Antragstellers bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-84/12) müssen die Botschaften dabei nicht Gewissheit erlangen, vielmehr reicht der Nachweis begründeter Zweifel für eine Verweigerung aus. Und es ist grundsätzlich Sache des Antragstellers den Nachweis durch geeignete Angaben zu führen.

Für eine Rückkehrbereitschaft sprechen grundsätzlich Tatsachen, die eine enge Verwurzelung mit dem Herkunftsland erkennen lassen. Maßgeblich sind dabei nicht abstrakte Ausführungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, sondern eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des Antragstellers. Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Antragstellers müssen anknüpfend an den individuellen Einzelfall begründet sein. Die Lebensumstände des Antragstellers sind durch die zuständige Botschaft zu bewerten und abzuwägen.

Im Laufe der Zeit haben sich für die Einschätzung der Rückkehrbereitschaft bestimmte Kriterien herausgebildet.


Kriterien zur Bestimmung der Rückkehrbereitschaft 

  • Enge familiäre Bindungen in den Herkunftsstaats. Hierunter fällt eine bestehende Ehe oder minderjährige Kinder. Volljährige Kinder im Herkunftsstaat sprechen in der Regel nicht für eine Rückkehrbereitschaft. Vorteilhaft ist, wenn für den Bestand der Ehe und das Verwandtschaftsverhältnis offizielle Dokumente des Herkunftsstaat beigebracht werden können. Traditionelle Ehen oder sogenannte Moscheeehen kommt in der Praxis eine geringere Beweiskraft zu. Leider lassen Botschaften teilweise auch enge familiäre Bindungen nicht immer für eine positive Rückkehrprognose genügen. Häufig wird hier der „Erfahrungssatz“ angeführt, es sei in der Kultur des Herkunftslandes üblich, dass Antragsteller zunächst ihre Familie zurücklassen würden, um diese später nach Deutschland nachzuholen. Eine solche pauschale, nicht am Einzelfall orientierte Wertung ist aber rechtlich angreifbar.


  • Keine oder nur geringe familiäre Bindungen in den Schengenraum. Leben große Teile der Familie des Antragstellers im Schengenraum, insbesondere Ehepartner oder erwachsene Kinder, kann dies gegen eine Rückkehrbereitschaft sprechen.


  • Regelmäßiges Einkommen im Herkunftsstaat: Der Antragsteller sollte in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsland selbstständig zu bestreiten. Hierfür spricht insbesondere ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Auch kann eine selbstständige Tätigkeit oder ein Gewerbebetrieb für eine Rückkehrbereitschaft sprechen. Hierfür müssen der Botschaft allerdings aussagekräftige Unterlagen vorgelegt werden, was je nach Herkunftsland Schwierigkeiten bereiten kann. Zudem argumentieren die Botschaften häufig, das Gewerbe könne nach der Einreise veräußert oder durch einen Stellvertreter weitergeführt werden. Gegen eine Rückkehrbereitschaft spricht regelmäßig, wenn der Antragsteller seinen Lebensunterhalt im Herkunftsland nur durch Zuwendungen - insbesondere des Einladenden - bestreiten kann. Auch sollte keine enge wirtschaftliche Verflechtung mit dem Schengenraum dergestalt vorliegen, dass ein großer Teil des Vermögens sich in Immobilien oder Konten im Schengenraum befindet.


  • Immobilieneigentum: Grundsätzlich spricht es auch für eine Rückkehrbereitschaft, wenn der Antragsteller Immobilien im Herkunftsland besitzt. Auch hierfür sind geeignete Nachweise beizubringen, was sich je nach Herkunftsland schwierig gestalten kann. Wichtig ist insbesondere eine möglichst unabhängige und aussagekräftige Wertermittlung. Zudem argumentieren Botschaften hier häufig, dass eine Veräußerung der Immobilien ohne weiteres möglich wäre.


  • Gegen eine Rückkehrbereitschaft sprechen regelmäßig frühere illegale Aufenthalte, frühere Visumsanträge mit unterschiedlichen Begründungen oder Einladungen durch nicht vertrauenswürdige Personen. Für eine Rückkehrbereitschaft spricht hingegen, wenn der Antragsteller nach früheren legalen Aufenthalten im Schengenraum jeweils ins Herkunftsland zurückgekehrt ist.


  • Schlechter Gesundheitszustand: Ein schlechter Gesundheitszustand kann gegen die Rückkehrbereitschaft sprechen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn im Herkunftsland keine adäquate medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Zudem befürchten die Botschaften bei einem schlechten Gesundheitszustand ein mögliches Abschiebehindernis.


  • Wichtig: Eine bei der Ausländerbehörde abgegebene Verpflichtungserklärung sichert zwar der öffentlichen Hand die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt zu, ist jedoch nicht geeignet, eine Sicherheit für die Rückkehr des Gastes in sein Heimatland zu bieten. Das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung hat daher auf die Rückkehrbereitschaft keinen Einfluss. 


Strategie und Rechtsschutz 

Antragsteller tun bei bestimmten Länderprofilen (insbesondere Afrika und Naher Osten) gut daran, bereits vor der Beantragung einen Anwalt zu konsultieren und die Weichen für eine positive Einschätzung der zuständigen Botschaft zu stellen. Hat sich die Botschaft einmal auf eine Einschätzung festgelegt, lässt sie sich hiervon nur selten abbringen.

Dennoch kann eine Remonstration gegen einen Ablehnungsbescheid sinnvoll sein, insbesondere wenn neue Tatsachen vorgetragen oder neue Beweise beigebracht werden können. Andernfalls bleibt nur der Klageweg zum Verwaltungsgericht Berlin.

Soll das Visum kurzfristig erlangt werden, hilft nur ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Hierfür sind die Hürden allerdings hoch.

Besser stehen die Chancen eines normalen Hauptsacheverfahrens. Auch hier agieren die Gerichte aber zurückhaltend. Den Botschaften kommt in Art. 4 Abs. 1 bis 4 Visakodex ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser erstreckt sich insbesondere auch auf die Würdigung der Tatsachen, die der Feststellung der mangelnden Rückkehrbereitschaft zu Grunde liegen.

Gute Erfolgsaussichten einer Klage bestehen daher, wenn die Einschätzung der zuständigen Botschaft auf sachfremden Erwägungen beruht oder allgemeine Wertmaßstäbe verletzt. Mit anderen Worten muss es sich also um eine krasse Fehlentscheidung handeln, bei welcher der Botschaft offensichtliche Fehler unterlaufen sind.

In jedem Fall empfiehlt es sich, einen spezialisierten Anwalt zu konsultieren. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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