„Schlaf mit mir…“ - ein Kündigungsgrund?

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Immer häufiger liest man von sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz. Erst vor wenigen Tagen schaffte es wieder ein Fall in die Schlagzeilen, diesmal bei der Bundeswehr. Während einer Feier hatte ein angetrunkener Soldat der Klägerin Avancen gemacht. Und ihr an den Po gefasst.

Zunächst: Überall, wo Menschen aufeinander treffen gibt es Begehrlichkeiten. Auch auf der Arbeit. Soweit nichts Schlimmes. Schlimm, im Sinne von „das sollte jemand dringend lassen“ wird es dann, wenn das Begehren klar erkennbar nicht auf Gegenliebe stößt und gesetzliche Grenzen überschreitet. Auch Grenzen des Anstandes, das soll hier aber nicht Thema sein. Mittlerweile kann jeder erfolgreich gegen Sexuelle Belästigung vor Gericht ziehen. Die Soldatin hatte einfach nur Pech, ihr erst jetzt bekannt gewordener Fall aus dem Jahr 2015 hätte aktuell, nach Verschärfung des Sexualstrafrechts, zu ihren Gunsten entschieden werden müssen. Unabhängig von der persönlichen Meinung der Staatsanwaltschaft, die urteilte, es handelte sich um „übliches, männliches Imponiergehabe“.

Ein anderer Fall. Ein Kfz-Mechaniker flirtet in der Firma mit einer Reinigungskraft. Irgendwann sagt er ihr dabei, sie habe schöne Brüste. Und fasst kurz hin. Die Frau dreht sich um, geht und erzählt der Betriebsleitung davon. Der Mechaniker entschuldigt sich, bietet Schmerzensgeld an. Der Chef aber bleibt hart: Sexuelle Belästigungen habe in seinem Betrieb keinen Platz, befindet er und kündigt den Mechaniker fristlos. Zu Recht? Diese arbeitsrechtlich extreme Maßnahme bedarf eines „wichtigen Grundes“, sexuelle Belästigung ist solch ein wichtiger Grund, ja. Zuvor hatte sich der Mann jedoch nie etwas zu Schulden kommen lassen, zeigte nach dem Vorfall Reue, sprach von einem Blackout, habe, so sagte er, geglaubt, die Frau wolle etwas von ihm. Diese Wahrnehmung kann man ihm absprechen, natürlich. Sie ist am Ende aber auch unerheblich. Denn vor einer Kündigung hätte er abgemahnt werden müssen. Das Arbeitsverhältnis besteht fort, urteilte das Bundesarbeitsgericht (* siehe Leitsatz unten).

An anderen Arbeitsplätzen dagegen reicht allein das Äußern eines Begehrens für eine rechtswirksame außerordentliche Kündigung aus. Beispiel: Ein Mann und eine 16-jährige sehen sich täglich, chatten privat über Monate in einem sozialen Netzwerk miteinander. Dabei fordert er sie irgendwann auf: „Schlaf mit mir!“ Ihr geht das zu weit, sie berichtet ihrem Rektor davon, der leitet den Vorfall weiter an die Bezirksregierung. Dem Beschuldigten wird seine berufliche Tätigkeit ab sofort untersagt und ihm die Entlassung angekündigt – er ist ihr Lehrer. Zwar zog auch er gegen seine Kündigung vor Gericht, gestand ebenfalls ein, einen Fehler gemacht zu haben und schlug vor, an eine andere Schule versetzt zu werden. Hier billigte das Gericht jedoch die Maßnahmen der Kündigung. Ein Lehrer darf seinen Schülern keine Avancen machen, niemals, so die Richter.

Über den Fall bei der Bundeswehr wurde u. a. auch im Online-Angebot der Tageszeitung „Die Welt“ berichtet. Ein vielbeachteter Leser-Kommentar darunter befand, die Dame hätte bei dem Griff an ihren Po doch einfach ebenso deutlich antworten können, mit einer Ohrfeige. Sicher, das wäre eine naheliegende, außergerichtliche Möglichkeit gewesen. Doch nur die wenigsten sind zu solch einem Reflex in der Lage. Und das Gesetz hat eben die Aufgabe, allen möglichst dauerhaften Schutz zu bieten. Kaum ein Tatbestand beruht auf einem so grundlegenden Missverständnis zwischen (mindestens) zwei Personen wie die sexuelle Belästigung. Nicht jeder Beschuldigte hat sich dabei gleich eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Jeder aber kann sich wehren. Egal, an welcher Stelle man steht.

Ich berate gern –

Ihr Anwalt für Arbeitsrecht,

Gerhard Rahn

Urteile: KfZ-Mechaniker Bundesarbeitsgericht 2 AZR 651/13, Lehrer Verwaltungsgericht Aachen, Az.: 1 L 251/13.

*Leitsatz des Gerichts: „Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist ‚an sich‘ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob sie im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, u. a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität.“


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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