Schmähkritik an Arbeitgeber: Kündigung möglich?

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Im Arbeitsverhältnis sind beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer daher kündigen kann, wenn dieser mit einem „empfindlichen Übel“ droht oder Arbeitskollegen und Vorgesetzte grob beleidigt, damit hat sich das Bundesarbeitsgericht befasst (BAG, Urteil v. 5.12.2019, Az.: 2 AZR 240/19).

Meinungsäußerung vs. Schmähkritik

Artikel 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) schützt die Meinungsfreiheit. In den Schutzbereich des Grundrechts fallen Werturteile. Nicht als Meinung geschützt sind aber falsche Tatsachenbehauptungen und sog. Schmähkritik. Um Schmähkritik handelt es sich, wenn in einer Äußerung nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung einer Person im Vordergrund steht.

Selbst wenn eine Äußerung aber grundsätzlich von Art. 5 GG geschützt ist, findet die Meinungsfreiheit ihre Schranke in allgemeinen Gesetzen. Hierzu gehört auch das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis, das sich aus § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt. Wie weit diese vertragliche Rücksichtnahmepflicht reicht, hat das BAG in seiner Entscheidung dargelegt.

Ordentliche Kündigung nach Beleidigung wirksam?

Im Fall vor dem BAG war eine Arbeitnehmerin afghanischer Herkunft der Ansicht, von ihrem Vorgesetzten aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft diskriminiert zu werden.

Sie wandte sich daher per E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden ihres Arbeitgebers und an ihren Vorgesetzten selbst. In diesen Mails beschwerte sie sich über gegen sie gerichtete „Guerilla-Aktionen“ und die „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ im Unternehmen. Der Vorstandvorsitzende solle hiervon nicht erst in der amerikanischen Presse lesen.

Sie leide unter der Männerwirtschaft und nannte ihren Vorgesetzen einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“, der als Führungskraft untauglich sei. Weiterhin verglich sie ihr Leid im Unternehmen mit dem der Juden im Nationalsozialismus und die Unternehmensstrukturen des Arbeitgebers mit denen der Mafia im Film „Der Pate“.

Der Arbeitgeber wies die Arbeitnehmerin darauf hin, dass nach seiner Ansicht diese Äußerungen nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien. Es handele sich vielmehr um Schmähkritik. Er forderte die Arbeitnehmerin zur schriftlichen Rücknahme der Behauptungen und Vergleiche auf, stellte ansonsten eine Kündigung in Aussicht.

Da die Arbeitnehmerin sich zwar selbstkritisch äußerte, aber keine Entschuldigung abgab, kündigte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag. Hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin mit einer Kündigungsschutzklage.

Bundesarbeitsgericht: hohe Hürden für Kündigung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen und das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung für beendet erklärt. Das BAG hob dieses Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Zwar stelle die Ankündigung der Arbeitnehmerin, die Presse einzuschalten, eine „widerrechtliche Drohung mit einem empfindlichen Übel“ dar. Die Arbeitnehmerin habe hierdurch ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Arbeitgeberinteressen verletzt. Das könne eine ordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigen. Hierauf hatte das LAG seine Entscheidung allerdings nicht gestützt.

Es begründete seine Entscheidung vielmehr mit den Äußerungen der Arbeitnehmerin über ihren Vorgesetzten: es wertete diese als Schmähkritik, die nicht vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt sei.

Dem ist das BAG in seiner Entscheidung entgegengetreten. Das LAG habe verkannt, dass es der Arbeitnehmerin nicht in erster Linie um die Diffamierung ihres Vorgesetzten gegangen sei. Sie habe lediglich auf die behaupteten Geschehnisse aufmerksam machen wollen. Gleiches gelte für die Vergleiche mit Nationalsozialismus und Mafiastrukturen. Zwar sei diese Kritik „überzogen, ausfällig und ungehörig“. Sie stehe aber in eindeutigem Zusammenhang mit den von der Arbeitnehmerin geschilderten Situationen. Es handele sich daher eben nicht um reine Schmähkritik. Aus diesem Grund hätte das LAG eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Arbeitnehmerin und ihrer Pflicht zur Rücksichtnahme vornehmen müssen. Weil das nicht geschehen war, muss das LAG nun erneut entscheiden.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG zeigt: Die Hürden für eine Arbeitgeberkündigung, die auf beleidigenden Äußerungen bzw. Schmähkritik eines Arbeitnehmers gestützt werden soll, sind hoch. Der Arbeitnehmer ist durch die Meinungsfreiheit geschützt, solange bei seinen Äußerungen ein Sachbezug besteht.

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