Schmerzensgeld nach Chemotherapie: Sind 20.000 € für kompletten Haarverlust akzeptabel?

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OLG Köln, Urteil vom 21. März 2016 - 5 U 76/14

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln sprach einer Klägerin im vergangenen Jahr für dauerhaften Haarverlust infolge rechtswidriger Chemotherapie ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € zu. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Klägerin eine deutlich höhere Entschädigung zusteht. Der Verlust der Köperbehaarung stellt eine lebenslange Entstellung dar, die das Leben der Klägerin grundlegend verändert und eingeschränkt hat.

Völliger Haarverlust nach einer Chemotherapie

Im Herbst 2007 wurde bei der Klägerin Brustkrebs diagnostiziert. Nach operativer Versorgung empfahlen ihr die behandelnden Ärzte eine Chemotherapie. Vor Einleitung der Behandlung wurde die Klägerin nicht über das Risiko dauerhaften Haarverlusts aufgeklärt. Im Verlauf der Chemotherapie kam es zu leichtem Haarausfall, der sich schließlich zu einem vollständigen Haarverlust entwickelte. Der Haarverlust hat ihre Selbstakzeptanz massiv beeinträchtigt und zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben geführt. Zudem befindet sie sich in psychotherapeutischer Behandlung.

Rechtswidrige Chemotherapie bei mangelhafter Aufklärung

Die Klägerin warf dem beklagten Krankenhaus vor, nicht über das Risiko eines dauerhaften Haarverlustes und über etwaige Behandlungsalternativen aufgeklärt worden zu sein. Anders als das Landgericht Köln zuvor, gab das Oberlandesgericht Köln der Klage statt. Die Chemotherapie war ohne ausreichende Aufklärung der behandelnden Ärzte und damit ohne wirksame Einwilligung der Klägerin erfolgt. Die Aufklärung soll zum Ziel haben, dass der Patient „im Großen und Ganzen“ weiß, worin er einwilligt. Dazu muss er auch über die Risiken der Behandlung informiert werden, die für seine Entscheidung von Bedeutung sein können. Dies schließt die Gefahr des dauerhaften Haarverlusts ein. Das beklagte Krankenhaus wurde nicht mit dem Einwand gehört, dass die Klägerin auch bei vollständiger Aufklärung in die Chemotherapie eingewilligt hätte. Denn vor dem Haarverlust hatte sie so große Angst gehabt, dass sie erst eine zweite Meinung eingeholt hätte und der Empfehlung zur Chemotherapie nicht ohne weiteres gefolgt wäre.

20.000 € als Schmerzensgeldes halten wir für untersetzt

Das OLG Köln hat das beklagte Krankenhaus zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € verurteilt. Der Haarverlust ließe sich nach außen nur teilweise durch ein Haarteil und permanentes Make-up verdecken. Zudem leide die Klägerin unter erheblichen und nachhaltigen psychischen und seelischen Belastungen. Nach unserer Ansicht ist die Höhe des gewährten Schmerzensgeldes nicht akzeptabel. Das OLG hat – anders als die psychischen Folgen – die äußerlichen Beeinträchtigungen nur unzureichend gewürdigt. Die Klägerin ist durch den Haarverlust in ihrer äußeren Erscheinung lebenslang massiv entstellt, was das Verhalten anderer Personen zu ihr – also die gesamte zukünftige soziale Interaktion – nachteilig beeinflussen wird.

In vergleichbaren Fällen wurden Klägern deutliche höhere Schmerzensgelder zugesprochen, so etwa in den Entscheidungen des OLG Zweibrücken vom 28. Februar 1996 – 1 U 210/94 (76.694 €) und OLG Köln vom 01. Juni 2001 – 19 U 158/00 – (76.694 €). 

Gerichte sollten bei der Höhe des Schmerzensgeldes dauerhafte Entstellungen – wie kompletter Haarverlust im vorliegenden Fall – anders gewichten und bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe mehr berücksichtigen.



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