Schriftformverstoß aufgrund mündlich vereinbarter Erweiterung des Warensortiments

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KG, Urteil vom 19.05.2016, 8 U 207/15

Mit Urteil vom 19.05.2016 hat das Kammergericht Berlin ein Urteil des Landgerichts bestätigt, mit dem eine Gewerberaummieterin zur Räumung und Herausgabe der Mieträume verurteilt wurde.

Der Ausgangsstreit

Die Parteien waren über einen Gewerberaummietvertrag miteinander verbunden. Die Klägerin war durch Erwerb der Immobilie in das Gewerberaummietverhältnis eingetreten. In dem ursprünglichen Mietvertrag war vereinbart, dass Mietzweck die Lagerung und der Verkauf von Stoffen und Kurzwaren sowie von Textilien und Baumaschinen sein soll. Später haben dann die Mieterin und die ursprüngliche Vermieterin mündlich vereinbart, dass der Mieterin darüber hinaus das Lagern von handelsüblichen Waren gestattet sei.

Die Mieterin etablierte in der Folgezeit in den Räumen einen Getränkehandel. Die in das Mietverhältnis eingetretene Vermieterin mahnte die Mieterin wegen dieser Nutzung ab und erklärte, nachdem die Mieterin die Nutzung nicht aufgab, die fristlose Kündigung des Mietvertrags. Vorsorglich erklärte die Vermieterin dann noch die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, da die Befristung der Mietzeit wegen Verstoßes gegen die Schriftform nicht wirksam sei. Das Landgericht hatte die Mieterin bereits aufgrund der fristlosen Kündigung zur Räumung verurteilt.

Die Entscheidung

Das Kammergericht berichtigte das erstinstanzliche Urteil dahingehend, dass es die fristlose Kündigung nicht als wirksam ansah. Es war wohl unstreitig, dass sich die Parteien, die den Mietvertrag abgeschlossen hatten, mündlich auf die Erweiterung des Warensortiments geeinigt haben. Die Mieterin war deshalb zum Betrieb eines Getränkehandels berechtigt.

Die neue Vermieterin hatte aber auch die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Diese war nach Ansicht des Kammergerichts wirksam. Da die gemäß § 550 BGB vorgesehene Schriftform nicht eingehalten worden war, galt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§§ 578, 550 BGB). Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Gewerberaummietvertrag kann aber jederzeit ohne Angabe von Gründen fristgerecht gekündigt werden. Durch die (mündliche) Änderung des Mietzwecks wurde gegen die Schriftform verstoßen, denn der Mietzweck ist im Mietverhältnis immer von wesentlicher Bedeutung. Es stellt einen wesentlichen Unterschied dar, ob der Gebrauch auf Lagerung und Handel von einzelnen, konkret bezeichneten Artikelgruppen beschränkt wird oder ob ein Handel mit allen handelsüblichen Waren zulässig sein soll.

Der Vermieter muss das Mietobjekt so zur Verfügung stellen, dass der Mieter es entsprechend dem vereinbarten Zweck nutzen kann. Auch für den Konkurrenzschutz, der regelmäßig mit dem Abschluss eines Mietvertrags vereinbart wird, ist eine Erweiterung des Nutzungszwecks natürlich von erheblicher Bedeutung. Die Vertragsänderung hätte deshalb in einer der gesetzlichen Schriftform genügenden Form festgehalten werden müssen. Die in dem Vertrag vereinbarte Schriftformheilungsklausel und qualifizierte Schriftformklausel konnten den Schriftformverstoß nicht mehr heilen.

Praxistipp

Der durch das Kammergericht entschiedene Fall zeigt, wie sich im Gewerberaummietrecht die Verteidigung gegen eine Kündigung gegen den Mieter wenden kann. Das Berufen der Mieterin darauf, dass individuell die Erweiterung des Vertragszwecks mündlich vereinbart worden sei, führt dazu, dass die Vermieterin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklären kann. Deshalb muss bei Gewerberaummietverhältnissen im Fall eines Rechtsstreits besonders genau auf die eigene Argumentation geachtet werden. Auch zeigt der Fall, dass sich die Parteien eines Gewerberaummietverhältnisses nicht darauf verlassen können, dass Schriftformheilungsklausel und qualifizierte Schriftformklausel dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Schriftform nicht möglich ist. Schließt man einen befristeten Gewerberaummietvertrag ab, sollte man immer peinlich genau auf die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform achten. Ansonsten könnte das Mietverhältnis sehr viel früher beendet werden, als von den Parteien eigentlich vorgesehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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