Schutz des ehelichen Zusammenlebens in Deutschland: Ehegattennachzug und Sprachnachweis

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Das Grundgesetz sichert in Art. 6 GG der Ehe und Familie einen besonderen Schutz des Staates zu, der bei jeder Ausübung öffentlicher Gewalt zu achten ist. Ehe und Familie werden vom Staat garantiert. Es ist damit die Aufgabe des Staates, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Diese Schutzpflicht kann im Einzelfall für die Auslegung und Anwendung von Gesetzen eine individualisierende Bedeutung erhalten.

Umfasst von Art. 6 Abs. 1 GG ist der Schutz von Ehe und Familie in ihrem Bestand und ihrer Entfaltung. Dies umfasst auch das Recht der Ehepartner über die Ausgestaltung der Ehe, einschließlich des ehelichen Zusammenlebens, frei bestimmen können. Grundsätzlich nicht ohne Weiteres garantiert durch Art. 6 Abs. 1 GG ist dabei das eheliche Zusammenleben in Deutschland selbst. Etwas anderes ergibt sich für Ehegatten deutscher Staatsangehörigkeit erst in Zusammenspiel von Art. 11 GG. So gewährt Art. 11 GG Deutschen ein Recht zum Aufenthalt in Deutschland. Ein Ehegatte deutscher Staatsangehörigkeit darf daher unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, seine Ehe im Ausland zu führen oder gar auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Entgegenstehende staatliche Interessen und hiermit verbundene staatliche Eingriffe sind unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. So auch das in § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorgesehene Spracherfordernis bei Ehegattennachzug, wie das BVerwG in seinem Urteil vom 04.09.2012 feststellte.

Das BVerwG stellte fest, dass in dem Spracherfordernis zwar grundsätzlich kein Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie, wie ihn Art. 6 GG als auch Art. 8 EMRK gewähren, zu erblicken ist. Jedoch ist das Spracherfordernis an Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu messen. Damit sind die dem Familiennachzug entgegenstehenden öffentlichen Belange mit den ehelichen und familiären Belangen in einen schonenden, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgleich zu bringen. Unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 GG ist dabei zu beachten, dass ein Deutscher, wie voranstehend bereits ausgeführt, grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Einem deutschen Staatsangehörigen kann vor diesem Hintergrund nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar. 

Überschreitet das Spracherfordernis als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange des ausländischen und deutschen Ehegatten, ist geboten, von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen. Dies enthebt den ausländischen Ehepartner allerdings nicht von Bemühungen, die geforderten Sprachkenntnisse nach der Einreise zu erwerben. Die Unzumutbarkeit eines Erwerbs der notwendigen Sprachkenntnisse vor Einreise kann sich z. B. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. 


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