Schwanger nach Kündigung – kann ich jetzt noch klagen?
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Eine Frau erhält in der Probezeit die Kündigung. Wochen später erfährt sie: Sie war zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger. Der Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz wäre eigentlich eindeutig – doch sie hat die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig erhoben.
Bisher galt: Wer die dreiwöchige Klagefrist (§ 4 KSchG) aus unverschuldetem Grund versäumt, muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung stellen (§ 5 KSchG). Doch genau diese Zwei-Wochen-Frist ist laut EuGH nicht mit dem EU-Recht vereinbar, wenn die Schwangere von ihrer Schwangerschaft nichts wusste.
Das Arbeitsgericht Mainz folgt dieser Linie – und stärkt die Rechte schwangerer Arbeitnehmerinnen.
Der Fall: Kündigung – Schwangerschaft erst später festgestellt
Die Klägerin war als Schwesternhelferin auf ein Jahr befristet angestellt. Am 6.10.2022 erhielt sie in der Probezeit die Kündigung zum 21.10.2022. Erst am 9.11.2022 wurde bei ihr eine Schwangerschaft in der 7. Woche festgestellt – und am nächsten Tag teilte sie dies der Arbeitgeberin mit.
Die Kündigungsschutzklage reichte sie jedoch erst am 13.12.2022 ein – also mehr als zwei Wochen nach Kenntnis der Schwangerschaft. Die Arbeitgeberin berief sich auf § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG: Danach sei die Klage nicht mehr zulässig.
Das sah das Gericht – gestützt auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urt. v. 27.06.2024 – C-284/23) – anders.
Die Entscheidung: Zwei-Wochen-Frist ist europarechtswidrig
Das Gericht stellte klar:
Die strenge Zwei-Wochen-Frist benachteiligt Schwangere unangemessen, wenn sie erst später von der Schwangerschaft erfahren.
In solchen Fällen darf das Recht auf Kündigungsschutz nicht an einer zu kurzen Frist scheitern, die mit EU-Recht (Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG) nicht vereinbar ist.
Die Klägerin konnte davon ausgehen, dass eine Klage gar nicht nötig sei – denn Kündigungen während der Schwangerschaft sind grundsätzlich unwirksam (§ 17 MuSchG), wenn der Arbeitgeber rechtzeitig informiert wird.
Was heißt das für schwangere Arbeitnehmerinnen?
Auch bei später Kenntnis der Schwangerschaft gilt: Kündigung unwirksam!
✔ Frist zur Klagezulassung: nicht mehr nur zwei Wochen
Wenn Sie die Kündigung erhalten, aber erst später von der Schwangerschaft erfahren, ist die Zwei-Wochen-Frist für die nachträgliche Klagezulassung nicht verbindlich – Sie haben mehr Zeit, Ihre Rechte wahrzunehmen.
✔ Schwangerschaft muss rechtzeitig mitgeteilt werdenWichtig bleibt: Sobald Sie von der Schwangerschaft wissen, müssen Sie diese dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen mitteilen (§ 17 Abs. 1 MuSchG). Nur dann können Sie den Schutz auch effektiv nutzen.
✔ Unbedingt rechtzeitig rechtlichen Rat einholen
Auch wenn die Fristverlängerung eine Erleichterung ist – handeln Sie trotzdem so schnell wie möglich! Denn viele Arbeitsgerichte entscheiden noch uneinheitlich, und Sicherheit bietet nur eine gerichtliche Klärung.
Fazit: Mehr Schutz für Schwangere – auch bei später Diagnose
Das Arbeitsgericht Mainz (Urt. v. 14.08.2024 – 4 Ca 1424/22) und der EuGH haben klargestellt: Schwangere Arbeitnehmerinnen dürfen nicht durch zu kurze Fristen vom Kündigungsschutz ausgeschlossen werden – wenn sie keine Schuld an der verspäteten Klageerhebung tragen.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie rechtzeitig gehandelt haben oder was jetzt zu tun ist – holen Sie sich anwaltliche Unterstützung. Gerade in Schwangerschaft und Mutterschutz gilt: Ihre Rechte sind besonders stark – und müssen nicht kleinlaut verteidigt werden.
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