Schweigen oder Aussagen auf Anraten durch Rechtsanwalt ?

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Zu den wichtigsten Fragen zählt, ob und inwieweit sich ein Angeklagter vor Gericht  zur Sache einlassen sollte.

Grundsätzlich gilt, dass aus einem zulässigen Prozessverhalten -wozu das Schweigen zählt - kein dem Angeklagten nachteiliger Schluss gezogen werden darf. Der 1. Senat des Bundesgerichtshofs hat am 11.10.2012 - AZ: 1 StR 213/10 jedoch festgestellt, dass dies immer dann nicht gilt, wenn der Angeklagte sich nach Belehrung zum Tatgeschehen geäußert hat:

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung wäre das Landgericht überdies nicht gehindert gewesen, aus dem Umstand, dass der Angeklagte die Rechtsanwälte U. und D'. nicht von der Schweigepflicht entbunden hat, dem Angeklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen. Zwar darf aus zulässigem Prozessverhalten grundsätzlich kein dem Angeklagten nachteiliger Schluss gezogen werden. Hat sich der Angeklagte aber - wie hier - nach Belehrung zum Tatgeschehen geäußert und ein Beweismittel für seine Unschuld benannt und sich damit in einer bestimmten Weise zum Hergang des Gesprächs mit dem Rechtsanwalt geäußert, sodann aber die Überprüfung dieser Darstellung verhindert, kann der Tatrichter hieraus Schlüsse auch zum Nachteil des Angeklagten ziehen..."

Wie verhält es sich im Übrigen zu Ratschlägen von Rechtsanwälten: Können diese zur Straflosigkeit wegen eines Verbotsirrtums führen?   

Nach Ansicht der Richter des 1. Strafsenats - AZ: 1 StR 213/10 ist der von einem Rechtsanwalt erteilte Rat nicht bereits deshalb vertrauenswürdig, weil er von einer kraft ihrer Berufsstellung vertrauenswürdigen Person erteilt worden ist. Grundsätzlich muss der Anwalt zuvor ein ausführliches Gutachten erstellt haben:

„Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum erst dann, wenn der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat...Maßgebend ist vielmehr, ob der Rechtsrat - aus der Sicht des Anfragenden - nach eingehender sorgfältiger Prüfung erfolgt und von der notwendigen Sachkenntnis getragen ist... Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus.... Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine "Feigenblattfunktion" erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten. Vielmehr muss der Beratende eine vollständige Kenntnis von allen tatsächlich gegebenen, relevanten Umständen haben. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen..."

Wann sollte ein Beschuldigter vor der Polizei aussagen?

Grundsätzlich sollte sich jeder Beschuldigte einer Straftat noch vor der ersten Vernehmung durch die Polizei an einen in der Strafverteidigung versierten Anwalt wenden und dessen Rat einholen. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in welchem ihm für den Fall des Schweigens angedroht wird, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. In Untersuchungshaft ist gemäß § 140 Abs. 1 Nr.4 StPO jedem Beschuldigten unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Der Verfasser des Berichts hat 2006 einen Fachanwaltskurs für Strafrecht absolviert. Er verfügt über 20 Jahre an Kenntnissen Erfahrungen im Strafrecht. Er ist seit 2001 als selbständiger Rechtsanwalt niedergelassen.


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