Schwerbehindertenrecht: Ablauf der Heilungsbewährung bei Darmerkrankungen

  • 3 Minuten Lesezeit

Der Sachverhalt

Der Kläger wendete sich gegen die Herabsetzung seines Grades der Behinderung. Beim Kläger wurde mit Bescheid vom 10.06.2009 ein GdB von 80 festgestellt, dem eine Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung und die Funktionsbehinderung des rechten Handgelenks zugrunde lagen. 

Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 29.02.2016 den Bescheid vom 10.06.2009 auf und führte aus, ab dem 03.03.2016 liege kein GdB mehr vor. Die Heilungsbewährung sei abgelaufen. Der GdB für das Handgelenk betrage nur noch 10. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, eine wesentliche Änderung der Funktionsstörung sei nicht eingetreten. 

Insbesondere könne wegen des deutlich erhöhten Rezidivrisikos keine Heilungsbewährung angenommen werden. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, woraufhin der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz erhob. Er trug vor, dass bei einer Erkrankung wie seiner nicht von einer Heilungsbewährung ausgegangen werden könne, weil sie familiär vererblich sei. 

Das SG wies die Klage ab, da die Heilungsbewährung abgelaufen sei. Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein.

Die Entscheidung

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, aber unbegründet. Dies hat das Landessozialgericht mit Urteil vom 21.02.2019, L 6 SB 2892/18, entschieden. 

Das Sozialgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Die Heilungsbewährung sei abgelaufen.

Der Senat legt dar, dass der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Sachlage im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X ist, wenn in der jeweiligen Heilungsbewährungsfrist keine Rezidive oder Metastasten aufgetreten sind. 

Ein festgestellter GdB kann nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB X erhöht oder herabgesetzt werden. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. 

Die Feststellung eines bestimmten GdB ist nach ständiger Rechtsprechung ein solcher Dauerverwaltungsakt. Eine wesentliche Änderung der Sachlage liege bei der Zuerkennung eines GdB z. B. dann vor, wenn sich der Gesundheitszustand des behinderten Menschen so verschlechtert habe, dass eine Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 gerechtfertigt sei. Das Gleiche gelte bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes mit einer anschließenden Herabbemessung des GdB. 

Die Erforderlichkeit engmaschiger Nachsorge bei einer genetischen Krebsbelastung schließe den Ablauf der Frist nicht aus. Nach Ablauf der Heilungsbewährung bestimme sich der Grad der Behinderung nur noch nach den tatsächlich vorhandenen Funktionseinbußen. Auch hierbei sei ein erhöhtes Risiko einer erneuten Erkrankung nicht zu berücksichtigen. 

Das LSG stimmte damit der Rechtsauffassung des Klägers, die Heilungsbewährung könne in atypischen Einzelfällen auch länger als fünf Jahre dauern, nicht zu. Zwar werde in dem entsprechenden Grundsatz von „in der Regel fünf Jahren“ gesprochen, jedoch sei damit gemeint, dass es auch kürzere Fristen geben könne. Für eine Darmerkrankung, wie hier, seien die fünf Jahre die Höchstgrenze. 

Fazit

Für den Ablauf der Heilungsbewährung und somit für eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X ist nach dieser Rechtsprechung nur entscheidend, ob während der jeweiligen Heilungsbewährungsfrist Rezidive oder Metastasen aufgetreten sind. Ein erhöhtes Wiedererkrankungsrisiko wird insoweit nicht berücksichtigt.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Andreas Klinger

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Sozialrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Andreas Klinger

Beiträge zum Thema