Sensationelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Widerruf von Kreditverträgen doch möglich!

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Ein sensationelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.3.2020 (Aktenzeichen C-66/19) ermöglicht es Verbrauchern, belastende Kreditverträge zu widerrufen. Dies gilt für Pkw-Kredite ebenso wie für Immobilienkredite oder allgemeine Verbraucherkredite. Bedeutsam ist es für Verträge, die ab dem 11. Juni 2010 geschlossen wurden.

Man möchte einen Brief nach Luxemburg schreiben: „Lieber Europäischer Gerichtshof, vielen Dank für die den bundesdeutschen Richtern beim Bundesgerichtshof gegebene Nachhilfe in punkto Verbraucherschutz und den Hinweis darauf, dass eine Widerrufsbelehrung, bei der der Verbraucher für das Verständnis der Belehrung eine darin benannte Gesetzesnorm nachschlagen und nachlesen muss, nicht klar und transparent ist“.

Aber der Reihe nach:

Hintergrund der Entscheidung

Auf eine Vorlage des Landgerichts Saarbrücken aus Januar 2019 hin hatte der Europäische Gerichtshof sich mit der Frage zu befassen, ob der in nahezu sämtlichen deutschen Widerrufsinformationen enthaltene Verweis auf eine bundesdeutsche Norm mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Intransparente Formulierung in sämtlichen Kreditverträgen

Der umstrittene Passus in den Widerrufsinformationen lautet „Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ 

Man findet diese Formulierung in eigentlich sämtlichen neueren Widerrufsinformationen zu Immobilienkrediten, Kfz-Krediten und Verbraucherkreditverträgen, da der deutsche Bundesgesetzgeber diese Formulierung seit Juli 2010 den Banken in Form von Mustern für Widerrufsinformationen vorgegeben hat.

Falsche bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Wir haben uns in der Vergangenheit, in der wir für unzählige Verbraucher Widerrufsinformationen überprüft und Widerrufsrechte durchgesetzt haben, sehr darüber geärgert, dass der Bundesgerichtshof diese Form der Widerrufsinformation unverständlicherweise für ausreichend transparent erachtet hat. 

Dabei muss man wissen, dass ein Blick in § 492 BGB nicht ausreicht, um die Pflichtangaben, die dem Verbraucher mitgeteilt werden müssen, in Erfahrung zu bringen. In § 492 Abs. 2 BGB findet sich ein Verweis in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, wo der Verbraucher sich die Pflichtangaben mühsam zusammensuchen muss. Von einer Transparenz kann da wahrlich nicht die Rede sein.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Gerichtshof am 26.3.2020 zu Recht geurteilt, dass

der in nahezu sämtlichen Widerrufsinformationen enthaltene Verweis auf eine bundesdeutsche Norm nicht ausreichend transparent ist und damit gegen europäisches Recht verstößt.

Auswirkungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Die vom Europäischen Gerichtshof verworfene Widerrufsinformation wurde von vielen Banken und Sparkassen, Autofinanzierern wie z. B. Volkswagen Bank genutzt und auch bei der Immobilienkreditvergabe verwendet.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ermöglicht es den Verbrauchern jetzt grundsätzlich, aus teuren Kreditverträgen, zu denen eine solche Widerrufsinformation erteilt worden ist, auszusteigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen, oder bei Pkw-Finanzierungen sogar den Pkw zurückzugeben.

Aber Achtung

Auch wenn sich für viele Verbraucher durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs neue Chancen ergeben, sollte der Widerruf nicht übereilt erklärt werden. Zu den Einzelheiten und insbesondere den weiteren Rechtsfolgen des Widerrufs beraten wir Sie gerne und vertreten Sie dann natürlich auch gerne bei der Durchsetzung Ihres Widerrufsrechts.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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