Sieben Urteile aus dem Arbeitsrecht zu Bagatell-Kündigungen

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Die fristlose Kündigung hat im Arbeitsrecht hohe Hürden.

Kleine Verfehlungen, große Konsequenzen: Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, wie ein Krabbenbrötchen oder ein Pfandbon im Wert von 1,30 Euro, die den Job kosten. Immer wieder beschäftigen sich Gerichte mit Kündigungen aufgrund von Bagatell-Vergehen.

Auch wenn der wirtschaftliche Schaden für den Arbeitgeber gering ist, rechtfertigt der Diebstahl von geringwertigen Gegenständen mitunter eine fristlose Kündigung. Dabei ist es jedoch wichtig, dass stets eine individuelle Abwägung erfolgt.

Im Grundsatz muss ein Arbeitgeber den Diebstahl oder die Unterschlagung von geringwertigen Gegenständen aus seinem Eigentum nicht hinnehmen. Dennoch ist eine fristlose Kündigung nicht immer verhältnismäßig zum Vertrauensbruch. Dies trifft insbesondere in den Fällen zu, in denen die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers geringfügig ist und er über einen langen Zeitraum im Betrieb ohne jegliche Verfehlungen beschäftigt war.


BAG betont Abwägung der Interessen in Emmely-Entscheidung

In der sogenannten Emmely-Entscheidung hat das Bundes-Arbeitsgericht (BAG) deutlich gemacht, dass bei Diebstählen von geringwertigen Gegenständen zulasten des Arbeitgebers immer eine individuelle Interessen-Abwägung erforderlich ist. Im konkreten Fall hatte Emmely Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen. Das Gericht erklärte die gegen sie ausgesprochene Kündigung aufgrund ihres ansonsten einwandfreien, langjährigen Arbeits-Verhältnisses für unwirksam (BAG, Urt. v. 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09).


Erster Schritt Abmahnung

Das Arbeitsgericht Hamburg fällte ein ähnliches Urteil in Bezug auf die Kündigung einer Krankenschwester, die acht Brötchenhälften entwendet hatte. Die Angestellte war 23 Jahre ohne vergleichbare Vorfälle im Betrieb tätig gewesen. Deshalb war die Kündigung unverhältnismäßig. Hier hätte zuvor eine Abmahnung erfolgen müssen (ArbG Hamburg, Urteil vom 10.7.2015, Az. 27 Ca 87/15). Ähnlich erging es auch im Fall des Brötchens mit Krabbensalat, bei dem das Gericht entschied, dass eine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers erforderlich gewesen wäre (LAG Hamburg, Urt. v. 30.7.2014, Az. 5 Sa 22/14).


Außerordentliche Kündigung unwirksam – ordentliche wirksam?

Das Landes-Arbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein stellte fest, dass der Diebstahl eines Fleischstücks im Wert von achtzig Cent zumindest eine ordentliche Kündigung rechtfertigt. In Anbetracht der Vorgesetzten-Stellung des Arbeitnehmers erachtete das LAG die Kündigung trotz des langjährigen Arbeitsverhältnisses als angemessen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 10.11.2015, 2 Sa 235/15).


Erstellen eines gefälschten Pfandbons rechtfertigt Kündigung

Eine Arbeitnehmerin, die eine leere Pfandflasche über die Kasse zog und einen gefälschten Leergutbon im Wert von 3,25 Euro erzeugte, erhielt aufgrund der hohen kriminellen Energie und des schwerwiegenden Vertrauensbruchs die Kündigung. Da es ihre Aufgabe war, die finanziellen Interessen des Arbeitgebers zu schützen, war die Kündigung rechtmäßig (LAG Düsseldorf, Urt. v. 7.12.2015, Az. 7 Sa 1078/14).


Diebstahl von Maultaschen führt zur Kündigung

Eine Altenpflegerin wurde nach siebzehn Jahren Betriebs-Zugehörigkeit fristlos gekündigt, weil sie Maultaschen für die Verpflegung der Heimbewohner unterschlagen hatte. Die Richter sahen darin einen Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitgeber. Dessen Interessen überwogen. In diesem Fall erachtete das Gericht eine Abmahnung als milderes Mittel für unzureichend (ArbG Lörrach, Urt. v. 16.10.2009, Az. 4 Ca 248/09).


Mitnahme eines entsorgten Kinderreisebetts führt zur Kündigung

Eine Abfall-Entsorgungsfirma entließ einen Mitarbeiter, weil er aus dem Abfall ein Reisekinderbett mit nach Hause genommen hatte. Das Gericht erklärte die Kündigung als unwirksam, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß (ArbG Mannheim, Urt. v. 30.07.2009, Az.: 15 Ca 278/08).


Privatpost auf Kosten des Chefs kostet den Job

Ein Mitarbeiter ließ seine private Post über die Frankiermaschine seines Chefs laufen. Als der davon erfuhr, veranlasste er die fristlose Kündigung. Das Gericht entschied: Die Kündigung ist arbeitsrechtlich wirksam. Denn das Verhalten des Angestellten beeinträchtigte das Vertrauen des Arbeitgebers erheblich (LAG Hessen, Urt. v. 22.08.2007, Az. 16 Sa 1865/06).


Welche Punkte entscheiden in Bagatell-Verfahren über die Wirksamkeit der Kündigung?

Arbeitsgerichte beziehen bestimmte Kriterien mit ein, anhand derer sie die Wirksamkeit der Kündigungen in Bagatell-Verfahren entscheiden.

  • Ist das Vertrauen wieder herzustellen?
  • Wie lange ist der Mitarbeiter im Unternehmen?
  • Ist eine Wiederholung zu erwarten?
  • Hält eine Abmahnung den Arbeitnehmer voraussichtlich von der Wiederholung der Tat ab?

Damit es gar nicht erst so weit kommt: Fragen Sie sicherheitshalber den Chef, bevor sie etwas vom Arbeitsplatz entwenden. Holen Sie sich auch explizit diese Erlaubnis ein, wenn es sich um Kleinigkeiten handelt. So beugen Sie Missverständnissen vor und pflegen so eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung zu Ihrem Arbeitgeber.


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