Stadt darf keine Privatfirmen mit der Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen beauftragen

  • 2 Minuten Lesezeit

Eine Bußgeldbehörde darf die Daten aus Radarmessungen wegen Geschwindigkeitsverstößen nicht durch Privatfirmen speichern und auswerten lassen. So hat sich das Amtsgericht Bergisch Gladbach jüngst in der Hauptverhandlung über den Einspruch einer Betroffenen geäußert und das Verfahren sodann eingestellt.

Zuvor hatte eine Autofahrerin Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid der Stadt Bergisch Gladbach eingelegt. Die Stadt Bergisch Gladbach hatte zuvor für eine Geschwindigkeitsüberschreitung aus dem Jahr 2014 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene erlassen.

Die Stadt Bergisch Gladbach hatte im Jahr 2008 die Radarmessungen vom Rheinisch-Bergischen Kreis übernommen. Zuvor hatte der Rheinisch-Bergische Kreis die Messungen durchgeführt. Stationäre Radaranlagen erwarb die Stadt Bergisch Gladbach sodann bei der Fa. Jenoptik, mobile Messfahrzeuge wurden inklusive Fahrer auf Stundenbasis von der Firma Radarrent angemietet. Mit der Fa. Radarrent GmbH aus Ubstadt-Weiher wurde eine entsprechende vertragliche Regelung getroffen. Die dabei anfallenden Daten werden digital gesichert, eine Kopie der Datensätze wird an die Firma Radarrent geschickt. Dort werden die Fotos in ein anderes Datenformat umgewandelt, Bilder je nach Erforderlichkeit verbessert oder Details der Messfotos vergrößert. Diese so überarbeiteten Informationen werden im Anschluss von Radarrent nach ca. zwei Wochen an die Stadt übermittelt. Dabei wird sodann der Beifahrer in den Kfz unkenntlich gemacht. Auf Basis dieser Daten (namentlich der Fotos) erlässt die Stadt Bergisch Gladbach die Bußgeldbescheide.

Das Amtsgericht Bergisch Gladbach kritisierte diese Form der Arbeitsteilung als rechtswidrig. Die Argumente des Amtsgerichts überzeugen dabei: Die Auswertung von Ermittlungsergebnissen ist eine hoheitliche Aufgabe, daher muss die Bußgeldstelle als Teil der Gemeindeverwaltung jederzeit die Kontrolle über die gewonnenen Daten (Messfoto, Messdatensätze, Protokolldateien etc.) haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Daten tatsächlich manipuliert wurden. Schon die Tatsache, dass die Daten aus der Hand gegeben und verändert wurden, genüge, um das Verfahren einzustellen, da ein Beweisverwertungsverbot besteht.

Betroffene im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bergisch Gladbach sollten aufgrund der rechtswidrigen Praxis in jedem Fall Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes einlegen. Auch andere Städte und Gemeinden in Deutschland bedienen sich privater Unternehmen bei der Geschwindigkeitsmessung und lassen durch private Firmen „blitzen“. Ob dies der Fall ist, kann der im Verkehrsrecht erfahrene Rechtsanwalt durch Akteneinsicht leicht herausfinden.

Es besteht zudem nach § 85 OWiG die Möglichkeit der Wideraufnahme von bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, wenn diese eine Geldbuße von über 250,00 € beinhalteten und nicht mehr als drei Jahre ab Rechtskraft vergangen sind. In laufenden Verfahren sollten Sie in jedem Fall Einspruch einlegen oder – wenn noch kein Bescheid ergangen ist – direkt nach dem Erhalt eines Anhörungsbogens anwaltlich beraten und vertreten lassen.

Gerne beraten und vertreten wir Sie in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Wenden Sie sich daher, wenn Sie „geblitzt“ wurden, an unsere insoweit spezialisierten Rechtsanwälte.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Joachim Thiele

Beiträge zum Thema