Stellenabbau bei Voit größer als gedacht – Was betroffene Beschäftigte jetzt wissen müssen

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Der Automobilzulieferer Voit Automotive aus St. Ingbert steht vor einem umfassenden personellen Einschnitt. Das Unternehmen, das sich seit Anfang des Jahres in einem Insolvenzverfahren befindet, hat sich mit dem Betriebsrat auf einen deutlich umfangreicheren Stellenabbau geeinigt als ursprünglich angenommen. 139 Beschäftigte sollen zum 1. Mai 2025 in eine Transfergesellschaft wechseln – fast 40 Prozent mehr als bisher bekannt war.

Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe der Entscheidung, erklärt, was eine Transfergesellschaft ist, und gibt praktische Tipps für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.


Hintergrund: Warum Voit Stellen abbaut

Voit ist ein traditionsreicher Autozulieferer, der unter anderem Bauteile für große Automobilhersteller fertigt. Doch wie viele Unternehmen der Branche leidet auch Voit unter den massiven Umwälzungen der Automobilindustrie, darunter:

  • Der Rückgang klassischer Verbrennungsmotoren,

  • die Transformation zur Elektromobilität,

  • weltweite Lieferkettenprobleme,

  • hohe Energiepreise,

  • sowie eine zurückhaltende Auftragslage aufgrund konjunktureller Unsicherheiten.

Eine geplante Übernahme durch ein chinesisches Unternehmen war zuletzt gescheitert – ein herber Rückschlag, der schließlich zur Insolvenz führte. Seitdem läuft bei Voit ein umfassendes Sanierungsverfahren, bei dem der nun beschlossene Personalabbau eine zentrale Rolle spielt.


Was bedeutet der Wechsel in eine Transfergesellschaft?

Für die 139 betroffenen Voit-Mitarbeitenden wurde eine sogenannte Transfergesellschaft eingerichtet. Diese bietet Arbeitnehmern, die betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verlieren, eine sozialverträgliche Brücke in eine neue Beschäftigung.

Vorteile einer Transfergesellschaft:

  • Weiterzahlung von Einkommen: Betroffene erhalten ein sogenanntes Transferkurzarbeitergeld, das ähnlich wie Arbeitslosengeld berechnet wird – oft ergänzt durch Aufstockungszahlungen des ehemaligen Arbeitgebers.

  • Individuelle Qualifizierung: Je nach Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit können Arbeitnehmer vier bis zwölf Monate lang an maßgeschneiderten Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, z. B.:

    • Umschulungen

    • Fortbildungen

    • Bewerbungscoaching

    • Vermittlungstrainings

  • Vermeidung der Arbeitslosigkeit: Wer die Transfergesellschaft nutzt, gilt in dieser Zeit nicht als arbeitslos im klassischen Sinne und kann sich gezielt auf einen beruflichen Neuanfang vorbereiten.

Wichtig für Betroffene:

  • Freiwilligkeit: Der Wechsel in die Transfergesellschaft ist grundsätzlich freiwillig. Wer das Angebot ablehnt, muss allerdings mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen.

  • Beratung nutzen: Die Transfergesellschaft bietet in der Regel eine umfassende individuelle Beratung zu Karrierechancen, Fördermöglichkeiten und Bewerbungsstrategien.

  • Finanzielle Aspekte prüfen: Das Transferkurzarbeitergeld liegt in der Regel bei 60 % des letzten Nettogehalts (67 % mit Kind). Eine genaue Prüfung der eigenen finanziellen Lage ist daher wichtig, um spätere Engpässe zu vermeiden.


Was passiert mit der restlichen Belegschaft?

Nach Angaben der IG Metall haben zusätzlich rund 60 Beschäftigte das Unternehmen freiwillig verlassen, zum Beispiel durch Renteneintritt oder Eigenkündigung. Insgesamt schrumpft die Mitarbeiterzahl bei Voit damit auf etwa 700 Personen.

Diese verbleibenden Mitarbeitenden leben jedoch weiterhin mit der Unsicherheit, wie sich die Lage des Unternehmens entwickelt. Die Gewerkschaft fordert daher eine klare Perspektive für den Standort St. Ingbert, etwa durch Investoren oder neue strategische Partnerschaften.


Was können betroffene Arbeitnehmer jetzt tun?

Wenn Sie zu den betroffenen Voit-Mitarbeitenden gehören oder generell vom Stellenabbau bedroht sind, sollten Sie folgende Schritte in Betracht ziehen:

1. Beratung in Anspruch nehmen

Nutzen Sie Betriebsrat, Gewerkschaft oder die Agentur für Arbeit als erste Anlaufstellen. Diese können bei rechtlichen und finanziellen Fragen helfen.

2. In die Transfergesellschaft eintreten

Wenn Sie das Angebot erhalten, sollten Sie es ernsthaft prüfen. Eine Transfergesellschaft bietet einen geschützten Raum zur Neuorientierung – und bessere Chancen auf einen erfolgreichen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt als eine direkte Kündigung.

3. Qualifizierung ernst nehmen

Nutzen Sie die Zeit aktiv, um sich weiterzubilden oder umzuschulen – besonders in zukunftsträchtigen Bereichen wie:

  • Elektromobilität

  • IT und Digitalisierung

  • Logistik und Automatisierung

  • Erneuerbare Energien

4. Finanzen prüfen und vorsorgen

Lassen Sie Ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld, Transferkurzarbeitergeld und mögliche Aufstockungen prüfen. Ein Haushaltsplan kann helfen, während der Übergangsphase die Kontrolle über Ihre Finanzen zu behalten.


Fazit: Eine schwierige, aber nicht aussichtslose Situation

Der Stellenabbau bei Voit trifft viele langjährige Beschäftigte hart – wirtschaftlich und emotional. Doch die Einrichtung einer Transfergesellschaft ist ein positives Signal, das zeigt, dass soziale Verantwortung zumindest teilweise übernommen wird.

Jetzt kommt es darauf an, dass alle Beteiligten – Arbeitnehmer, Gewerkschaft, Agentur für Arbeit und Transfergesellschaft – an einem Strang ziehen, um möglichst viele Betroffene in neue, sichere Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Mit der richtigen Unterstützung kann diese Krise auch eine Chance für berufliche Neuorientierung und persönliche Weiterentwicklung sein.


Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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