Steuerrecht: Neuer BFH-Beschluss zu Nachzahlungszinsen

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Dass die Finanzverwaltung bei dem schon lange anhaltenden niedrigen Zinsniveau für Steuernachzahlungen 6 % Zinsen pro Jahr verlangen kann, stößt schon länger auf Unverständnis. Es handelt sich allerdings um eine gute Einnahmequelle für den Staat: Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen (§ 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) in den letzten Jahren mehr als 2 Milliarden Euro.

Nun hat allerdings der Bundesfinanzhof (BFH) festgehalten, dass diese Praxis angreifbar ist (Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18). Es handelt sich allerdings um ein Verfahren um Aussetzung der Vollziehung (AdV), sodass es noch nicht als endgültig feststehende Entscheidung anzusehen ist.

In dem Verfahren beantragte der Steuerpflichtige die AdV des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von eineinhalb Prozent für jeden Monat verfassungswidrig sei. Das FA und das Finanzgericht lehnten dies ab.

Demgegenüber hat der BFH dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt. Nach dem Beschluss des BFH bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen. Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe.

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht bestehe darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen könne. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar und trage damit die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe nicht.

Es bestünden überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspreche. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

Der Gesetzgeber sei im Übrigen der Verfassung wegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zu der gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten sei oder die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse. Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch dahingehend geändert habe (vgl. Pressemitteilung Nr. 23/18 vom 14. Mai 2018).

Diese Argumentation ist überzeugend, sodass zu erwarten ist, dass auch in einem Hauptsacheverfahren nicht anders entschieden werden wird. Im Hinblick hierauf sollten Steuerbescheide in Bezug auf solche Zinsfestsetzungen mit Einspruch angegriffen werden.


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