Stolperfalle Formvorschriften bei der Zeitbefristung von Arbeitsverhältnissen

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Arbeitsaufnahme vor dem schriftlich vereinbarten Arbeitsbeginn –



Entscheidungen des Thüringer Landesarbeitsgerichtes vom 21. Juni 2022 - 1 Sa 115/21 - und des Bundesarbeitsgerichts vom 16. August 2023 - 7 AZR 300/22 -


Die – rechtlich zulässige – Umgehung des Kündigungsschutzes für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach Beginn des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss von zeitbefristeten Arbeitsverträgen erfreut sich ungebrochen hoher Beliebtheit. Eine typische „Stolperfalle“ bei der wirksamen Zeitbefristung im Sinne dieser Vorschrift bilden allerdings die strengen Formvorschriften des § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): Danach bedarf nämlich die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages der gesetzlichen Schriftform, was konkret den Abschluss eines von beiden Arbeitsvertragsparteien im Original unterschriebenen schriftlichen Arbeitsvertrages voraussetzt.


Sachverhalt


In dem hier vom Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG Thüringen) entschiedenen Fall bewarb sich der Kläger im März 2019 um eine Stelle als Kassierer und erhielt im April 2019 von Unternehmensseite einen auf den 01.04.2019 datierten, von beiden Parteien unterzeichneten „befristeten Arbeitsvertrag“. Unter der Überschrift „Tätigkeit, Vertragsdauer“ sah der Vertrag die Aufnahme der Arbeitstätigkeit des Arbeitnehmers „für den Zeitraum vom 15. Mai 2019 bis zum 30. September 2019 befristet“ vor. Tatsächlich nahm der Kläger dann aber seine Arbeitstätigkeit für die beklagte Arbeitgeberin nicht - wie im Arbeitsvertrag eigentlich vorgesehen - am 15. Mai 2019, sondern bereits am 04. Mai 2019 auf. Nach Ablauf des Befristungszeitraums berief sich der Kläger auf die Unwirksamkeit der Befristungsabrede wegen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG, forderte seine Weiterbeschäftigung und erhob eine Entfristungsklage.


Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichtes


Mit seiner Entscheidung vom 21. Juni 2022 wies das Thüringer Landesarbeitsgericht die Klage auf Entfristung zurück und stellte hierbei folgenden Leitsatz auf: „Wird bei einer zunächst formwirksam vereinbarten Zeitbefristung die Arbeit vorzeitig aufgenommen, bedarf die Veränderung des Anfangstermins jedenfalls dann nicht der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG, wenn der zuvor formwirksam vereinbarte eindeutige Endtermin dadurch nicht verändert wird.“ Dies begründet das Landesarbeitsgericht damit, dass die vorzeitige Arbeitsaufnahme im Rahmen eines zuvor formwirksamen kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses jedenfalls dann keiner schriftlichen Vereinbarung im Sinne des § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf, wenn sich die Dauer der Befristung aus dem datumsmäßig bestimmten Endtermin des Arbeitsverhältnisses ergebe. Unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der genannten Vorschrift ergebe sich, dass bei der Zeitbefristung nur diejenigen Elemente des Vertrages der Schriftform unterliegen, die den Endtermin entweder benennen oder bestimmbar machen, denn mit der Schriftform solle dem Arbeitnehmer „deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis – anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Endpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann.“


Zurückweisung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seiner Entscheidung vom 16. August 2023:


Das Thüringer Landesarbeitsgericht hatte in seiner Entscheidung aufgrund der grundlegenden Bedeutung der hier zu beurteilenden Rechtsfrage der Formbedürftigkeit der Vereinbarung des Anfangstermins bei einer Befristung die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen. Die hiernach von Seiten des Klägers eingelegte Revision hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr mit seiner Entscheidung vom 16. August 2023 unter dem Aktenzeichen 7 AZR 300/22 zurückgewiesen. Eine Begründung des Bundesarbeitsgerichts für diese Entscheidung liegt aktuell noch nicht vor.


Was bedeutet dies für die Praxis?


Generell ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschäftigungsaufnahme durch den Arbeitnehmer abweichend von dem schriftlich gefassten zeitbefristeten Arbeitsvertrag für den Arbeitgeber immer mit dem erheblichen Risiko einer dadurch herbeigeführten Unwirksamkeit der gesamten Befristungsabrede verbunden ist. So ging man bislang davon aus, dass eine vor Befristungsbeginn aufgrund mündlicher Vereinbarung vorzeitig aufgenommene Beschäftigung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet und eine sodann nachfolgende Befristung – wegen des Verbots der sachgrundlosen Anschlussbeschäftigung (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) – dementsprechend nichtig ist. Durchaus bemerkenswert weicht das LAG Thüringen die bislang so restriktiv ausgelegten Formvorschriften des TzBfG mit seiner Entscheidung auf, was die Situation für Arbeitgeber deutlich erleichtern dürfte. Letzten Endes bleibt hier aber in jedem Fall die Begründung der oben genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. August 2023 abzuwarten. Bis dahin ist jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, eine Arbeitsaufnahme durch zeitbefristet angestellte Mitarbeiter vor dem schriftlich vereinbarten Anfangstermin zu vermeiden!


Fazit:


Nach der durch das Bundesarbeitsgericht bestätigten Entscheidung des LAG Thüringen soll auch bei einer wirksam vereinbarten schriftlichen Befristungsabrede eine im Nachhinein formfrei vereinbarte frühere Arbeitsaufnahme nicht zur Unwirksamkeit der schriftlichen Befristungsabrede führen. Ob die vom Landesarbeitsgericht hier zugrunde gelegten Rechtsannahmen in der Praxis belastbar sind, wird die Begründung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergeben, die abzuwarten bleibt. Wir werden Sie unterrichtet halten!


Dr. Nikolaus Sischka


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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