Stolpersteine des Arbeitnehmers nach gewonnener Kündigungsschutzklage - BAG 5 AZR 387/19

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Beispiel: Kündigung vom 28.01.2018 zum 31.03.2018. Kündigungsschutzklage endlich nach allen Instanzen rechtskräftig gewonnen am 20.08.2020. Und nun? Was ist mit der Vergütung für die Vergangenheit?

Bisher: 

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Vergütung der zurückliegenden Monate, also der Monate zwischen beabsichtigtem Kündigungstermin (im Beispiel oben ab April 2018) und rechtskräftig festgestellter Weiterbeschäftigung nachzubezahlen. Natürlich abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld. Hat der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit eine neue Arbeit gefunden, wird auch dieser Lohn angerechnet.

So einfach ist es nun nicht mehr.

Neu nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.05.2020 - 5 AZR 387/19:

Geht der Arbeitgeber davon aus, dass es dem Arbeitnehmer möglich gewesen wäre, eine neue Beschäftigung anzutreten und damit anderweitig Vergütung zu erzielen, kann er vom Arbeitnehmer schriftliche Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter dem Arbeitnehmer unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung verlangen.

Nach der Begründung des BAG beruht dieses Auskunftsbegehren auf einer Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 242 BGB.

Hintergrund dieses Auskunftsbegehrens: 

Kann der Arbeitgeber belegen, dass es der Arbeitnehmer böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit aufzunehmen, wird die Vergütung, die der Arbeitnehmer hätte erzielen können, auf die ihm grundsätzlich zustehende Vergütung angerechnet, § 615 S. 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG.

Bislang war dies relativ schwierig, da der Arbeitgeber naturgemäß nicht weiß, ob dem Arbeitnehmer in der Zwischenzeit ein neuer Job angeboten wurde.

Der Wandel in der Rechtsprechung des BAG - nach dem (neuen) Auskunftsanspruch:

Nach Erhalt der Auskunft hat der Arbeitgeber Indizien dafür darzulegen, dass die Vermittlungsvorschläge zumutbar waren und es der Arbeitnehmer böswillig Unterlassen hat, diese anzunehmen.

Der Arbeitnehmer muss dann diesen Indizien entgegentreten und darlegen, weshalb es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist, also kein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde bzw. ein solcher unzumutbar war.

Was bedeutet das?

Sollten Sie nach Erhalt der Kündigung gegen diese Klage einreichen, also ein Kündigungsschutzverfahren führen, ist es unbedingt erforderlich, alle Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und/oder des Jobcenters aufzuheben. Ebenfalls sollten die Bewerbungsanschreiben aufgehoben werden, eventuelle Einladungen zu Vorstellungsgesprächen ebenso wie Absagen.

Noch wichtiger als bisher ist es also, sich während der bestehenden Arbeitslosigkeit auf die übersandten Vermittlungsvorschläge tatsächlich auch zu bewerben und dies auch nachweisen zu können (oder zumindest schriftlich zu notieren, warum man sich nicht beworben hat). Nur durch lückenlose Dokumentation wird dem Arbeitnehmer nach dem gewonnen Kündigungsschutzprozess gelingen, sich nicht dem Vorwurf des böswilligen Unterlassens auszusetzen.

Die genauen Fragen dazu, was im Prozess durch den Arbeitnehmer und was durch den Arbeitgeber zu beweisen sein wird und welche Belege das Gericht jeweils erwartet, sind noch unbeantwortet. Diese Fragen werden nach und nach in den jetzt zu erwartenden weiteren Urteile beantwortet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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