Strafbarkeit rund um das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom
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Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom
In der Medizin wird unterschieden zwischen dem Münchhausen-Syndrom und dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Beide werden unter die anderen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen gefasst und genauer als artifizielle Störung bezeichnet. Beim Münchhausen-Syndrom erfinden die Betroffenen körperliche Beschwerden oder rufen diese selbst hervor, um damit Aufmerksamkeit und Zuneigung von anderen Menschen zu erlangen. Beim Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom dagegen wird dies bei anderen Personen, meist bei Kindern, getan. Die betroffenen Personen täuschen bei anderen Menschen Krankheiten vor oder führen diese bewusst herbei, um anschließend eine medizinische Behandlung zu verlangen. Wenn es sich bei der dritten Person um ein Kind handelt, stellt es eine Form der Kindesmisshandlung dar.
Vortäuschen von Krankheiten
Mit der Strafbarkeit von Handlungen, die auf dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom beruhen, hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 325/23) in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2023 auseinandergesetzt. Die Angeklagte im vorliegenden Fall ist vom Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom betroffen. Diese machte bei Ärzten falsche Angaben über ihre Kinder, sodass zwei ihrer Kinder nicht nötigen Operationen unterzogen wurden. Unter anderem behauptete sie des Öfteren gegenüber Ärzten, dass ihre Tochter unter Verstopfungen leide, sodass ihrem eineinhalb Jahre alten Kind nach weiteren unwahren Behauptungen ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde. Daneben behauptete sie, dass ihre jüngste Tochter Atemprobleme sowie eine Trinkschwäche habe, sodass ihr von den Ärzten eine Sonde zur künstlichen Ernährung gelegt wurde. Kurz darauf entschied sich die Angeklagte dazu, ihrer Tochter die Nahrungsgabe über die Sonde teilweise vorzuenthalten, sodass der Säugling innerhalb kürzester Zeit über ein Kilo Gewicht verlor.
Angenommene Straftatbestände des Landgerichts
Das Landgericht Paderborn verurteilte die Angeklagte wegen verschiedener verwirklichter Straftaten. Zum einen nahm es in einem Fall eine in mittelbarer Täterschaft begangene Misshandlung von Schutzbefohlenen in der Tatbestandsalternative des rohen Misshandelns, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in der Begehungsform mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung an. Einen anderen Fall bewertete das Landgericht vorliegend als Misshandlung von Schutzbefohlenen in der Variante des Quälens, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen durch Unterlassen. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB nahm es trotz der artifiziellen Störung in Form des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms nicht an.
Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Anhand verschiedener Auslegungsmöglichkeiten prüfte der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall, ob sie sich der gefährlichen Körperverletzung mittels gefährlicher Werkzeuge strafbar gemacht hatte, indem die Ärzte bei den Operationen chirurgische Instrumente benutzten. Dabei kam der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass chirurgische Geräte bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen als gefährliche Werkzeuge gelten, auch wenn diese bei der Operation ordnungsgemäß benutzt wurden. Unter anderem weisen demnach teleologische Erwägungen darauf hin, da eine erhöhte Gefährlichkeit, durch die sich die Begehungsvarianten des § 224 StGB auszeichnen, auch bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung bestehen kann, wobei es von der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes und der Benutzungsweise im Einzelfall abhängt.
Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.
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