Strafverfahren wegen Corona-Hilfen 2.0 - Jetzt folgt die Einsicht in die Steuererklärungen

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Corona-Hilfen - sie sollten schnell und unbürokratisch Hilfe leisten für in Not geratene Freiberufler, Selbstständige und Kleinunternehmer.

Doch dies zieht nun einen langen Rattenschwanz nach sich. Deutschlandweit wurden unzählige Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetruges in Gang gesetzt. Aber damit nicht genug. Nun sind auch Ihre Steuerakten daran!

Um davon betroffen zu sein, reicht es bereits, im Zuschussantrag leichtfertig unrichtige Angaben über eine etwaige wirtschaftliche Schieflage gemacht zu haben. Einmal sozusagen falsch „geklickt“ zu haben, kann also schon ausreichen.

Zur vollständigen Ermittlung der Tatsachen beantragen die Staatsanwaltschaften nunmehr vermehrt bei den Finanzämtern die Übersendung der Steuerakten der Beschuldigten. Dies wird durch die Gerichte (z.B. Landgericht Aachen, Beschluss vom 16. November 2020 – 86 Qs 19/20) aktuell als eine zulässige Durchbrechung des Steuergeheimnisses gesehen.

Die gleiche Prozedur funktioniert jedoch auch umgekehrt, also etwa dann, wenn das Finanzamt selbst subventionserhebliche Ungereimtheiten in den Steuerakten entdeckt, so § 31a AO.

Aus diesen Akten können sich leicht auch Tatsachen („Zufallsfunde“) ergeben, die der Staatsanwaltschaft Anlass geben könnten, wegen weiterer, sowohl steuerlicher als auch nichtsteuerlicher Straftaten die Ermittlungen aufzunehmen bzw. zu erweitern. Beispielhaft können das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, § 266a StGB, wegen Scheinmitarbeitern, Scheinabrechnungen etc. angeführt werden. Auch ein Betrugsverdacht nach § 263 StGB ist denkbar. Nicht zu reden über die komplette Palette der §§ 370 ff. AO und mit den damit meist eingehenden Einziehungen der finanziellen Vorteile, wie §§ 73 ff. StGB oder § 29 OWiG. Außerdem sind Geldbußen, insbesondere im Unternehmensbereich, gemäß §§ 30, 130 OWiG, heutzutage kaum mehr wegzudenken.

Was ist das Steuergeheimnis und was umfasst es?

Zunächst steht der Offenbarung der Steuerinformationen, also die Frage, ob die Informationen das Finanzamt überhaupt verlassen dürfen, grundsätzlich das Steuergeheimnis nach § 30 AO entgegen. Dies dient dem Schutz des Steuerpflichtigen, der aufgrund seiner Erklärungspflichten große Teile seiner Lebens- und Finanzführung offenbaren und darüber dem Staat Auskunft geben muss. Dem Schutz unterliegen auch andere Personen, wie Eltern oder Ehepartner.

Vom Steuergeheimnis geschützt werden sämtliche persönliche, wirtschaftliche rechtliche, öffentliche und private Verhältnisse, die dem Finanzamt im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werden, bspw. im Rahmen von Steuererklärungen oder Betriebsprüfungen. Dies kann auch Umstände betreffen die steuerlich ohne Relevanz sind.

Folge des Steuergeheimnisses ist, dass Daten die eine weitere Straftat begründen könnten, die jedoch vor Einleitung des Strafverfahrens in erster Straftat noch im Besteuerungsverfahren in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart wurden, grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen.

Wann können diese Informationen trotzdem weitergegeben und verwertet werden?

Die Offenbarung und Weitergabe solcher Angaben, die ein Steuerpflichtiger aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung gemacht hat, ist grundsätzlich nur eingeschränkt möglich.

Das Steuergeheimnis wird nach § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO durchbrochen, wenn für die Offenbarung und Verwertung der geschützten Daten ein sogenanntes “zwingendes öffentliches Interesse” besteht.

Die Gerichte nehmen hier an, dass der Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen nach seiner Begehungsweise dazu geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Verkehrs und die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern.

Schon ganz grundsätzlich soll es sich bei einem Subventionsbetrug um ein sensibles Delikt handeln, sodass eine Strafverfolgung im besonderen öffentlichen Interesse stehe.

Zusätzlich wird betont, dass die gesamten Umstände im Zusammenhang der Covid-19-Pandemie diese Annahme stärken. Es sei durch den Verzicht auf Vorlage von Belegen ein besonderer Vertrauensvorschuss gewährt worden. Gerade in einer Krise, die die gesamte Bevölkerung betroffen habe, dies zu missbrauchen, erschüttere das allgemeine Vertrauen in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich. Die Allgemeinheit erwarte daher eine entsprechende strafrechtliche Verfolgung.

Das heißt im Klartext, dass Sie in solchen Fällen Ihr Recht auf die „Wahrung des Steuergeheimnisses“ grundsätzlich vergessen können.

Was sind mögliche Folgen der Offenbarung?

Damit sind die Hürden für die Durchbrechung des Steuergeheimnisses im Falle von Corona-Betrug sehr niedrig angesetzt, bis nicht vorhanden.

Selbst bei nur geringen Beträgen, muss nun davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft die beantragten Steuerunterlagen durch die Finanzämter erhalten wird.

Die gesammelten Erkenntnisse können sodann in weiteren möglichen Strafverfahren gegen den Beschuldigten verwendet und verwertet werden.

Bereits für die Begehung des Subventionsbetruges werden teils hohe Strafen verhängt, doch eine Einsicht in die Steuerakten kann weitere schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist zu befürchten, dass eine jahrelange strafrechtliche Aufarbeitung die Folge ist und Betroffene mit weiteren zähen Ermittlungen und ggf. mit solchen Maßnahmen, wie etwa Durchsuchungen, rechnen müssen.

Und wenn Sie nach alledem schon denken, „genug ist doch genug“, dann müssen Sie leider auch noch auf eine weitere Schattenseite eines Steuerstrafverfahrens denken: an das befürchtete Risiko der Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, infolge von Steuerschulden gemäß § 35 GewO.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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