Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung – Was Sie wissen müssen!

  • 4 Minuten Lesezeit

Insolvenzverschleppung ist der zweithäufigste Straftatbestand im Wirtschaftsstrafrecht.

Tatsächlich werden über 60% aller Insolvenzanträge zu spät gestellt. 

Die Gründe dafür sind zahlreich: Die Insolvenz eines Unternehmens wird zu spät erkannt, die Unternehmensführung glaubt und hofft, das Ruder noch einmal herumreißen zu können, oder ist sich ganz einfach nicht darüber im Klaren, dass allzulanges Ausharren strafrechtliche Folgen hat. Im folgenden Rechtstipp beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um das Thema Insolvenzverschleppung:


- Was ist Insolvenzverschleppung?

- Wer kann sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?

- Wer haftet bei einer Insolvenzverschleppung?

- Welche Folgen kann ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung haben?

- Welche Strafen drohen?

- Wie soll ich mich als Beschuldigter verhalten?


Wenn Sie weitere Fragen haben, beantworten wir Ihnen diese gern direkt via WhatsApp!


Was ist Insolvenzverschleppung?


Gerät ein Unternehmen in eine finanzielle Krise, ist die Geschäftsleitung in der Verantwortung, die Zahlungsfähigkeit gegenüber den Gläubigern sicher zu stellen. Zu diesem Zweck muss im Notfall, also bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, ein Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht gestellt werden (§ 15a InsO). Hierfür besteht eine gesetzliche Frist von drei Wochen (bei Zahlungsunfähigkeit) oder sechs Wochen (bei Überschuldung). Binnen dieser Frist kann die Geschäftsleitung versuchen, eigenständig die Zahlungsfähigkeit wieder her zu stellen.

Wird diese Frist durch schuldhaftes Zögern überschritten, spricht man von Insolvenzverschleppung.

Häufig genug wird erst im Nachhinein, während des Insolvenzverfahrens, festgestellt, dass eine Insolvenzverschleppung stattgefunden hat. Dann müssen die Verantwortlichen mit einem Strafverfahren rechnen.


Wer kann sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?


Insolvenzverschleppung hat eine strafrechtliche Relevanz für alle gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführung, Gesellschafter, Aufsichtsräte etc.) in der Geschäftsführung von


  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaften (GmbH & Co. KG)

  • Offenen Handelsgesellschaften (GmbH & Co. OHG)

  • Aktiengesellschaften (AG)

  • haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaften (UG)

  • ausländischen Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland.

Die Vorstände von Stiftungen, Vereinen und Genossenschaften sind zwar ebenfalls verpflichtet, im Krisenfall einen Insolvenzantrag zu stellen, machen sich bei Zuwiderhandlung allerdings nicht strafbar, sondern haften lediglich für die Schäden.

Für Personengesellschaften und Einzelunternehmen existiert keine Insolvenzantragspflicht.


Wer haftet bei einer Insolvenzverschleppung?


Die Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft haftet bei schuldhaftem Zögern ab Eintreten der Insolvenz vollständig mit ihrem Privatvermögen für alle entstehenden Schäden.

Der Geschäftsführer haftet in der Innenhaftung sowohl für Zahlungen an Gesellschafter oder Dritte, durch die die Zahlungsunfähigkeit verursacht wurde, als auch für Zahlungen ohne Aktivtausch.

In der Außenhaftung haftet die Geschäftsführung gegenüber der Sozialversicherung für nicht abgeführte Arbeitnehmerbeiträge, gegenüber dem Finanzamt für Vernachlässigungen der Steuerpflicht (Lohnsteuer, Umsatzsteuer), und ggf. gegenüber Neugläubigern (Gläubigern, deren Forderungen erst nach Eintreten der Insolvenzreife entstanden sind).


Welche Folgen kann ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung haben?


Ganz abgesehen davon, dass die Haftung des Geschäftsführers mit seinem Privatvermögen auch den privaten Bankrott bedeuten kann, hängt das Ausmaß der Folgen einer Insolvenzverschleppung vom Umfang der entstandenen Schäden und den Umständen des Einzelfalles ab.

Bei Geringfügigkeit oder Unbeweisbarkeit des schuldhaften Zögerns nach Eintreten der Insolvenz, kann Ihr Anwalt eine Einstellung des Verfahrens (gegebenenfalls gegen Auflage) erwirken. Im weniger günstigen Falle hängt der Ausgang des Verfahrens davon ab, ob die Insolvenzverschleppung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, wie lang der Zeitraum der Verschleppung gewesen, und welche Schadenshöhe zu beklagen ist.


Welche Strafen drohen?


Für fahrlässige Insolvenzverschleppung drohen Geldstrafen oder bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe.

Bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung können Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren verhängt werden, und außerdem kann dem Angeklagten eine Betätigung als Geschäftsführer für mehrere Jahre verboten werden.

Hinzu kommen die Kosten des Verfahrens, sowie die umfassende Haftung für alle durch die Insolvenzverschleppung entstandenen Schäden.

Die konkrete Höhe des Strafmaßes liegt im Ermessen des zuständigen Gerichts und wird von den Umständen des Einzelfalles (Dauer der Verschleppung, Höhe der entstandenen Schäden, Vorleben des Beschuldigten, etc.) beeinflusst.


Wie soll ich mich als Beschuldigter verhalten?


Wenn Sie eine Anzeige oder polizeiliche Vorladung wegen eines Verstoßes gegen § 15a InsO erhalten, steht alles für Sie auf dem Spiel. Es ist daher ungemein wichtig, dass Sie keinen Fehler machen. Beachten Sie unbedingt die beiden goldenen Regeln des Strafrechts:


1. Schweigen ist Gold.

Machen Sie nicht den Fehler, sich selbst verteidigen zu wollen. Sie können nicht wissen, wieviel man an belastbaren Fakten gegen Sie in der Hand hat. Daher ist jedes Wort, das Sie sagen, potentielle zusätzliche Munition für die Ermittler gegen Sie. Als Beschuldigter haben Sie das Recht, die Aussage zu verweigern, und zu Vorladungen nicht zu erscheinen. Nutzen Sie dieses Recht!


2. Ab zum Anwalt.

Wenden Sie sich umgehend an einen Fachanwalt für Wirtschaftsstrafrecht, der die gegen Sie erhobenen Vorwürfe prüfen und im besten Falle eine Einstellung des Verfahrens erwirken, oder aber basierend auf der Ermittlungsakte Ihre Verteidigung mit Ihnen planen kann, um für Sie einen möglichst günstigen Ausgang des Verfahrens zu bewirken.


Dr. Brauer Rechtsanwälte sind im Wirtschaftsstrafrecht erfahren und vertreten Sie bundesweit. Kontaktieren Sie uns!






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