Streit um Bäume: Was passiert, wenn der Nachbar zur Schere greift

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Nachbar schneidet mit Gartenschere Äste ab

Ein idyllischer Garten mit altem Baumbestand – für viele Hausbesitzer ein Traum. Doch was passiert, wenn dieser Traum durch den unbedachten Eingriff des Nachbarn zerstört wird? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wirft Licht auf diese Frage und zeigt, welche Ansprüche Betroffene geltend machen können.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 6.2.2024, Az. 9 U 35/23

In einem aktuellen Fall standen sich zwei Nachbarn vor Gericht gegenüber: Die Klägerin, Besitzerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit einem stattlichen Baumbestand, und der Beklagte, dessen Grundstück an das der Klägerin grenzte. Der Zwist begann, als der Beklagte ohne Erlaubnis der Klägerin im Mai 2020 schwerwiegende Schnittarbeiten an zwei Bäumen auf dem Grundstück der Klägerin durchführte – eine Birke und ein Kirschbaum. Die Klägerin sah darin einen erheblichen Schaden und klagte auf Schadensersatz in Höhe von knapp 35.000 €.

Das Landgericht entschied zunächst zugunsten der Klägerin und sprach ihr einen Schadensersatz von gut 4.000 € zu. Doch die Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht aufgehoben und zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Warum? Das Gericht argumentierte, dass der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden müsse, um den Schadensersatz angemessen zu bemessen.

Wie wird der Schaden berechnet?

Ein entscheidender Punkt in diesem Fall ist die Frage der Schadensberechnung bei der Zerstörung von Bäumen. Hier gilt laut ständiger Rechtsprechung, dass in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten ist. Das bedeutet, dass nicht einfach ein neuer Baum gepflanzt wird, sondern der Schadensersatz sich auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen, jungen Baumes sowie einen Ausgleich für die verbleibende Wertminderung des Grundstücks bezieht.

Doch wie wird dieser Ausgleich berechnet? Das Gericht schlägt vor, die Kosten für die Beschaffung, Pflanzung und Pflege eines vergleichbaren Baumes bis zur Funktionserfüllung zu ermitteln und zu kapitalisieren. Dabei sind auch Faktoren wie das Anwachsrisiko und eine mögliche Alterswertminderung zu berücksichtigen.

Allerdings gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Wenn die Art, der Standort und die Funktion des zerstörten Baumes einen Ersatz durch einen gleichwertigen Baum nahelegen, können auch die vollen Wiederbeschaffungskosten zugesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu klären, welche Funktion die Bäume für das konkrete Grundstück hatten. Hierbei spielen auch Aspekte wie die ökologische Bedeutung der Bäume eine Rolle, zum Beispiel als Lebensraum für Tiere oder Beitrag zur CO2-Reduktion.

Was die Entscheidung für Grundstücksnachbarn bedeutet

Der Streit um die Bäume zeigt somit, dass bei Nachbarschaftsstreitigkeiten über Baumschnitt oder -zerstörung eine differenzierte rechtliche Betrachtung notwendig ist. Eine genaue Prüfung der individuellen Umstände und der Funktion der Bäume ist unerlässlich, um einen gerechten Ausgleich für den entstandenen Schaden zu gewährleisten. Betroffene Grundstückseigentümer sollten sich in solchen Fällen frühzeitig anwaltliche Unterstützung nehmen.

Foto(s): Titelbild von andreas160578 auf Pixabay


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