Streit um Impfungen des Kindes - nicht erst seit Corona Bestandteil familienrechtlicher Mandatsbearbeitung

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Spätestens seit der Corona-Pandemie hat das Thema Impfen in unserem Alltag an Bedeutung gewonnen: Selten zuvor wurde so hitzig und kontrovers über die Sinnhaftigkeit von Impfungen, mögliche Risiken und die Idee einer Impfpflicht diskutiert.

Doch auch schon zu präpandemischen Zeiten gab es in der familiengerichtlichen Praxis regelmäßig Streit zwischen Eltern, ob - und wenn ja, gegen welche Krankheiten - die gemeinsamen Kinder geimpft werden sollen. 

Typische Ausgangslage dabei: Man hat sich als Paar getrennt, übt die elterliche Sorge für die Kinder jedoch weiterhin gemeinsam aus.

Ist eine Zustimmung des anderen Elternteils überhaupt erforderlich?

Die Antwort auf die Frage, was man bei geteilter elterliche Sorge ohne Zustimmung des anderen Elternteils entscheiden darf, ist in der Praxis nicht einfach zu beantworten. Als „Faustregel“ gilt dabei: Je mehr Bedeutung die streitige Entscheidung für das Kind hat, desto eher ist die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich. 

Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen sich die Sorgeberechtigten in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, einigen. Lediglich in Angelegenheiten des täglichen Lebens ist eine einvernehmliche Entscheidung entbehrlich. 

Bei Impfungen dürfte es sich regelmäßig um Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind handeln, weil medizinische Eingriffe und Behandlungen mit der Ausnahme von Routineuntersuchungen oder gewöhnlichen Kinderkrankheiten (z. B. Erkältungen) mit der Gefahr von - zumindest denkbaren - Komplikationen und Nebenwirkungen verbunden sind. 

Was tun, wenn keine Einigung erzielt werden kann?

Verweigert der andere Elternteil die Zustimmung zu einer Impfung, bleibt für gewöhnlich nur noch der Gang vors Familiengericht. 

In einem speziellen Verfahren (§1628 BGB) sind vom Elternteil als Antragsteller dann die tatsächlichen Begebenheiten in einem Schriftsatz vorzutragen und mit dem Antrag zu kombinieren, dass die alleinige Entscheidungsbefugnis in der Angelegenheit übertragen werden soll. Der andere Elternteil erhält sodann Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor das Gericht terminiert und im Rahmen einer  Verhandlung eine Entscheidung fällt. 

Im Übrigen soll eine einvernehmliche Entscheidung der Sorgeberechtigten selbst dann notwendig sein, wenn das Kind bereits alt genug ist (im entschiedenen Fall 16 Jahre), seinen eigenen Wunsch nach Impfung zu äußern.

Woran orientiert sich das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung?

Dreh- und Angelpunkt und alleiniger Entscheidungsmaßstab des Gerichts ist stets - wie in sämtlichen Kindschaftssachen - das Kindeswohl. 

Da Richter und Richterinnen in der Regel keine medizinische Vorbildung haben, orientieren sie sich in der Praxis an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts. Letzteres empfiehlt für Kinder routinemäßig etwa eine Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln. 

In der Rechtsprechung wurde zudem immer wieder entschieden, dass der Nutzen solcher Impfungen regelmäßig etwaige Risiken überwiegt. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es im Falle nicht erfolgter Impfungen häufig zu Problemen mit Kitas oder anderen Einrichtungen kommt.  

Abschließend gilt jedoch auch hier die alte Juristenweisheit: Jeder Fall ist anders und es mag Konstellationen geben, auf die obige Grundsätze nicht eins zu eins übertragen werden können. Darüber  hinaus sind noch weitere Konfliktpunkte zwischen Eltern in puncto Gesundheitsfürsorge für ein Kind denkbar: Was, wenn dem Kind etwa eine Operation dringend empfohlen wird, sich der andere Elternteil aber quer stellt, eine Bluttransfusion verweigert wird oder Uneinigkeit über die Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung besteht? 

In jedem Falle sollten Sie, wenn Sie selbst auf ähnliche Probleme stoßen, Kontakt zu einem/einer auf das Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt/Rechtsanwältin aufnehmen.

Foto(s): https://www.istockphoto.com/de/foto/kleines-asiatisches-m%C3%A4dchen-mit-bandagenpflaster-am-arm-nach-covid-19-impfung-gm1360302184-433365067?phrase=impfen%20kind

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